Zu: „Für die Ukraine – Konzert mit Schäfer Heinrich“, vom 11. April
Geht’s noch? Jeder Euro, der sich für die Ukraine-Hilfe auftreiben lässt, ist ganz sicher willkommen, und es gibt dieser Tage zahlreiche Initiativen und viele helfende Hände, um Geld für die Ukrainehilfe einzusammeln. Doch heiligt der Zweck nicht immer die Mittel. Ein gewisses Verständnis habe ich für das ausgehungerte Party-Volk, das nach den jüngsten Corona-Lockerungen nun jedes Event freudig begrüßt. Ein völliger Verzicht auf jeglichen Frohsinn hilft niemandem, und wir sollten uns selbst von den furchtbaren Ereignissen dieser Tage nicht in eine lähmende kollektive Bestürzungsstarre drängen lassen.
Ich halte es jedoch für völlig daneben, in Ballermann-Laune johlend in einer Polonaise über den Brunnenplatz zu tanzen, während in der Ukraine gebombt, gefoltert, gemordet und gestorben wird, und Hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen, um diesem Grauen zu entkommen. Der sehr bemüht übergeworfene Benefiz-Mantel kann den zweifelhaften Charakter dieser Veranstaltung kaum verbergen. Ich empfinde ein Gefühl des Fremdschämens angesichts des offenbaren Mangels an Feingefühl und Empathie bei Veranstaltern, Organisatoren, Künstlern und wohl auch bei Teilen des Publikums. In seinem Lied „Die heiße Schlacht am kalten Büffet“ aus den frühen 1970er Jahren singt Reinhard Mey vom Fress- und Saufgelage einer dekadenten Gesellschaft, und am Schluss heißt es in beißender Ironie: „Und von dem vereinnahmten Geld geh’n zehn Prozent, welch‘ noble Idee, als Spende an Brot für die Welt.“