Vor ihrem Vortrag am Mittwoch: Fragen an Gabriele Krone-Schmalz
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Die einstige Moskau-Korrespondentin der ARD, Gabriele Krone-Schmalz, liest am Mittwochabend im Weserbergland-Zentrum aus ihrem neuen Buch „Respekt geht anders“. Foto: PR/Imago/Horst Galuschka
Frau Krone-Schmalz im Untertitel Ihres neuen Buches ist von „unserem zerstrittenen Land“ die Rede. Welche Rolle spielte die Corona-Krise samt Corona-Protest für die Entstehung des Buches?
Überhaupt keine. Denn die Idee hatte ich Anfang des Jahres, als Corona bei Weitem nicht die Rolle spielte wie etwa ab März. Später hatte ich im Gegenteil sogar den Eindruck, die Polarisierung könnte sich durch die Pandemie in Luft auflösen und meine Idee hätte sich erledigt. Erinnern Sie sich an die Einmütigkeit, mit der Regierung und Opposition Hilfspakete beschlossen haben und wie die Gesellschaft, Alt und Jung, zusammenstand? Aber nach wenigen Wochen war abzusehen, dass sich am Grundproblem nichts geändert hatte: statt Streitkultur respektloses aufeinander Eindreschen, ganz gleich um welches Thema es sich handelt.
Warum enden gesellschaftliche Debatten so oft in Grabenkämpfen – etwa über die Aufnahme von Geflüchteten, über die Corona-Politik der Regierung oder den Klimaschutz? Sie nennen noch viele weitere Beispiele …
Weil sie moralisch aufgeladen und dadurch zu einem Kampf „gut gegen böse“ werden. Es geht nicht um Argumente, über die man ja erst mal nachdenken und diskutieren kann, sondern um Ideologie und Glaubensbekenntnisse. Daraus entstehen Unversöhnlichkeiten, die es bei einer sachlichen Auseinandersetzung nicht zu geben brauchte.
Welche Rolle spielen die Medien – oder welche verpassen sie in Ihren Augen zu spielen?
Darauf kurz zu antworten ist sehr kompliziert. Ich versuch’s. Medien müssen Aufmerksamkeit erregen, um überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden. Das geht besser mit Polarisierung und Dramatisierung. Der Zwang, in kurzer Zeit auf den Punkt kommen zu müssen, befördert eine notwendige Differenzierung auch nicht gerade. Wenn Journalisten dann auch noch „Haltung zeigen“ in dem Sinne, dass sie meinen, ihr Publikum auf den richtigen Weg führen zu müssen, dann hat das mit Journalismus, so wie ich ihn verstehe, nichts mehr zu tun. Ich denke, wir sollten versuchen, möglichst viel von dem herauszufinden, was manche gerne im Verborgenen halten wollen, wir müssen Zusammenhänge erklären, unterschiedlichen Perspektiven Raum geben und sollten Politik erklären und nicht selbst Politik machen wollen.
Wenn wir – auch auf lokaler Ebene – Nachrichten veröffentlichen, ist aus Social-Media-Kommentaren oft sogleich die Suche nach einem klaren Schwarz oder Weiß herauslesbar: Ist das Gemeldete gut oder schlecht? Richtig oder falsch entschieden? Ärgerlich oder erfreulich? Auch dann, wenn die Nachricht vielleicht eher von einem Grauton als von Schwarz oder Weiß erzählt. Kann man Medien vorwerfen, dass Sie sich solchen Leseerwartungen anpassen?
Vorwürfe in welche Richtung auch immer werden nicht weiterhelfen und im Grunde ist es wie der Streit um die Henne und das Ei. Was war zuerst da? Ich denke, politische Berichterstattung sollte schon die Grautöne herausfinden, von denen Sie sprechen und sich nicht mit plakativen Entweder-oder-Positionen zufriedengeben. Ich weiß selbst, dass das aus den verschiedensten Gründen nicht einfach ist, denn natürlich müssen Sie Ihre Leser ja erreichen.
Beim Themenkomplex Russland sind Sie Angriffe gegen Ihre Position und Person vermutlich schon gewöhnt. Nun greifen Sie in Ihrem neuen Buch mehrere Themen auf, bei denen Sie Debattenkultur, Rollenzuschreibungen und Lagerdenken in Frage stellen wollen, ob es nun um Greta Thunberg oder die israelische Regierung geht. Mit welchen Reaktionen rechnen Sie diesmal?
Schwer zu sagen. Mir ist schon bewusst, dass ich vielen auf die Füße trete, rechts wie links, aber ich gehe auch davon aus, dass ich vielen Menschen aus der Seele spreche. Eine respektvolle Debattenkultur ist einfach unendlich wichtig für eine stabile Demokratie.
Wollen Sie Tabus brechen?
Es ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass es ein Tabubruch sein könnte, sich für Respekt und Streitkultur einzusetzen.
Zum Abschluss: Was denken Sie als deutsche Journalistin und Russlandexpertin, wenn bei einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Berlin „Putin, Putin“ gerufen wird?
Das ist natürlich absurd. Diejenigen, die das skandieren, haben offenbar einen Systemwechsel im Sinn. Putin ist ein russisches Phänomen, das man ergründen und sinnvollerweise begreifen sollte, aber das hat mit Außenpolitik und nicht mit Innenpolitik zu tun.
Interview: Frank Henke
Termin: Hamelner Forum mit Gabriele Krone-Schmalz, Mittwoch, 7. Oktober, 19 Uhr, Weserbergland-Zentrum,
Livestream auf www.vhs-hameln-pyrmon.de.
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