Kaminer spricht in Hameln über Corona und Krieg (mit Video)

Holt auch mal weit aus: Wladimir Kaminer plaudert im Rahmen des Hamelner Forums der VHS in der Sumpfblume. Foto: fh

Holt auch mal weit aus: Wladimir Kaminer plaudert im Rahmen des Hamelner Forums der VHS in der Sumpfblume. Foto: fh

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Wladimir Kaminer hat nicht nur ein Buch über die Corona-Zeit geschrieben, sondern gleich drei davon. Zwei sind bereits erschienen, das letzte der Trilogie folgt im September. „Die Wellenreiter – Geschichten aus dem neuen Deutschland“ heißt das mittlere, aktuelle Buch. Gemeint sind die Coronawellen, nicht die an den – phasenweise unerreichbaren – Traumstränden. Damit wäre der thematische Schwerpunkt des Abends eigentlich gesetzt. Aber natürlich führt auch am anderen großen Thema, dem russischen Angriff auf die Ukraine, kein Weg vorbei, wenn der vielleicht populärste Russe in Deutschland zu Gast ist. „Ich sehe mich in der Pflicht, über den Krieg zu reden“, sagt Kaminer vorab im Dewezet-Interview, weil die große Gefahr bestehe, dass dieser Krieg sich ausweite. So geht es also auch an diesem Abend – obwohl von Lachern durchzogen – um Putin, Waffen, Ukrainer, Russen.

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Der 54-Jährige dosiert das eigentliche Vorlesen sparsam: Er erzählt, schiebt ein, schweift ab, erklärt, kommentiert. Nicht wie ein Comedian, der sein Programm herunterspult, sondern wie ein begnadeter Plauderer am Kneipentisch. Er sucht nach Worten und findet Pointen, wundert sich oder setzt Pausen. Mal lustig, mal klug, oft beides.

Unterbrechung – der Rettungswagen muss kommen

Schnell ist er mit seinem Publikum auf Flughöhe: Kaminer erzählt da etwa von der seiner Meinung nach „besten“ Corona-Verschwörungstheorie. Abgehorcht habe er sie „vornehmen Damen“ in Österreich. Die komplizierte These: Wir haben das Virus alle schon und bekommen dadurch weniger Sauerstoff ins Gehirn. Die Folge: „Wir werden jede Nacht etwas blöder.“ So lässt sich dann vieles auf der Welt erklären.

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Als Kaminer jedoch einen ersten Text liest – aus seinem letzten Vor-Pandemie-Buch „Rotkäppchen raucht auf dem Balkon“ – erfolgt die Notbremsung: Eine Zuschauerin kollabiert, der Rettungswagen muss kommen, die Veranstaltung wird unterbrochen.

„Das beeindruckt nachhaltig“, sagt Kaminer, zurück auf der Bühne, „wenn das Publikum auf der Stelle“ – wieder so eine Kaminer-Pause – „ich hätte gern einen trockenen Weißwein“. Kaminer findet aber doch schnell zurück in Text und Spur und plaudert sich durch Familienleben, Pandemie, Weltpolitik. Gartengestaltung. So geht es dann um die Haustiere.

Vier Hamster mit den Namen der Beatles

Um vier nach den Beatles benannte Hamster beispielsweise. „John verschwand als Erster, Paul und George zankten die ganze Zeit, Ringo hielt es am längsten aus.“ Um den alten Kater des Sohnes und die Studiengänge der Tochter – Gender Studies unter anderem. Um das Dorfleben in Brandenburg, wo er ein Haus besitzt. Corona sei da kein Thema gewesen, schließlich habe man dort immer schon „in einem gesunden 500-Meter-Abstand“ gelebt. Am Ende kam das Virus aber doch: „Der Friseur war schuld!“ Corona, „ein Ausrutscher auf dem Seil des Fortschritts“, heißt es am Ende von „Die Wellenreiter“.

Nach einer weiteren – nun geplanten – Pause, werden auf Karten eingereichte Fragen des Publikums beantwortet. Und da ist das Thema Krieg dann wieder ganz präsent. Kaminer erzählt von Auftritten im ukrainischen Fernsehen, bei denen sein Hinweis auf eines Tages notwendige Verhandlungen für „Entsetzen“ gesorgt habe. Zugleich hat sich Kaminer in den vergangenen Monaten für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine starkgemacht.

Wladimir Kaminer: „Putin ist nicht das Problem, Problem ist dieses große Land.“

Wie lange sich der russische Präsident Wladimir Putin wohl noch halten kann, möchte jemand wissen. „Putin ist nicht das Problem“, meint Kaminer. „Problem ist dieses große Land.“ Genauer: die Perspektivlosigkeit der Menschen. „140 Millionen Menschen, die überhaupt keine Zukunftsvision haben.“

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Seine legendäre Veranstaltungsreihe „Russendisko“ hat Kaminer jedenfalls nun in „Ukrainedisko“ umbenannt. Aus der Ukraine käme eh viel gute Musik „Ich kann auch gerne nach Hameln mit der Ukrainedisko kommen“, sagte Kaminer im Dewezet-Interview. Und an Fans mangelt es Kaminer hier offenbar nicht.

DEWEZET

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