AKW: Was verbirgt sich hinter „Meldepflichtigem Ereignis“?
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Foto: MW
Was von AKW-Gegnern oft als Störfall bezeichnet und für die Risiken dieser vor dem endgültigen Aus stehenden Stromproduktion angeführt wird, sehen die Landes- und Bundesbehörden eher als Ausdruck für die Sicherheitskultur – um aus Fehlern zu lernen. So hieß es auch in dieser Woche aus dem Ministerium in Hannover, als es sich um ein Problem mit einer Zwischenkühlpumpe handelte, dass die vierfach vorhandene Technik für die sichere Störfallbeherrschung ausreiche: „Insofern hatte das Ereignis keine Auswirkungen auf den bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage und war ohne sicherheitstechnische Bedeutung.“
Was steckt hinter dem Begriff „Meldepflichtiges Ereignis“? Mit der Verordnung über den kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten und über die Meldung von Störfällen und sonstigen Ereignissen vom 14. Oktober 1992 wurde die Verpflichtung der Betreiber kerntechnischer Anlagen rechtsverbindlich festgelegt, betriebliche Ereignisse (Betriebsstörung oder Störfall bis hin zum Unfall) an die Aufsichtsbehörde zu melden. Für das AKW Grohnde ist das Umweltministerium in Hannover die zuständige Stelle.
„Sinn und Zweck des behördlichen Meldeverfahrens ist es, den Sicherheitsstatus dieser Anlagen zu überwachen und ihn mit den aus den gemeldeten Ereignissen gewonnenen Erkenntnissen im Rahmen der Aufsichtsverfahren zu verbessern“, erklärt dazu das Bundesumweltministerium. „Die Meldungen sind eine wesentliche Grundlage dafür, etwaige Mängel in der betreffenden Anlage frühzeitig zu erkennen und gegen das Auftreten ähnlicher Fehler in anderen Anlagen vorzubeugen beziehungsweise ähnliche Fehler in anderen Anlagen zu erkennen.“
Internationale Einordnung für einheitliche Bewertung
Bei dem defekten Schalter an der Pumpe, der von Preussen Elektra nun bei der Atomaufsicht angezeigt wurde, handelt es sich laut Behörde um das „Kriterium N (normal) 2.1.1 (INES 0)“. Was kompliziert klingt, lässt sich auch beschreiben. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Betreibern der Kernkraftwerke und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit werden meldepflichtige Ereignisse in Kernkraftwerken auch nach der Bewertungsskala INES (International Nuclear and Radiological Event Scale) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Nuklearenergie-Agentur (NEA) der OECD bewertet. Sie hat eine rasche und für die Öffentlichkeit verständliche Bewertung eines Ereignisses zum Ziel.
Die Skala umfasst sieben Stufen:
1 - Störung
2 - Störfall
3 - ernster Störfall
4 - Unfall mit örtlich begrenzten Auswirkungen
5 - Unfall mit weitergehenden Auswirkungen
6 - schwerer Unfall
7 - katastrophaler Unfall
Meldepflichtige Ereignisse, die nach dem INES-Handbuch nicht in die Skala von 1 bis 7 einzuordnen sind, werden unabhängig von der sicherheitstechnischen Bedeutung nach nationaler Beurteilung der „Stufe 0“ zugeordnet.
Sprich: Der jüngst vermeldete defekte Schalter in Grohnde ist zwar meldepflichtig, aber in der untersten Kategorie. Und wofür steht das N? Dabei handelt es sich um Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde innerhalb von fünf Werktagen gemeldet werden müssen, um eventuelle sicherheitstechnische Schwachstellen frühzeitig erkennen zu können. Die höchste Kategorie S steht für „Unverzügliche Meldung“, um umgehend zu reagieren.
So positiv sieht eine Atomaufsicht unter grüner Verantwortung die Meldekultur
Nach wie vor gibt es je nach Einstellung zur umstrittenen Kernkraft unterschiedliche Interpretationen. Interessant allerdings ist ein Blick nach Baden-Württemberg, wo das zuständige Ministerium für Atomaufsicht unter der Regie der Grünen – mit hervorgegangen aus der Anti-AKW-Bewegung – steht. „Aus einer hohen Zahl von meldepflichtigen Ereignissen kann nicht auf einen schlechten Sicherheitszustand einer Anlage geschlossen werden“, heißt es dort. „Denn wer viel untersucht, findet auch viel.“
Intensive Untersuchungsprogramme, die die baden-württembergische Atomaufsicht veranlasst oder der Genehmigungsinhaber von sich aus eingeleitet habe, hätten Probleme erkannt, die meldepflichtig gewesen seien. Meldepflichtig seien bereits Schwächen, die wegen ihres frühen Erkennens noch keine sicherheitstechnischen Auswirkungen hätten haben können. „Die Untersuchung einschließlich der Meldung mit anschließender Instandsetzung haben damit die Anlage sicherer gemacht, als wenn der Fehler unerkannt geblieben wäre“, heißt es in der Behörde unter Federführung der Grünen-Ministerin Thekla Walker. „Die Meldung ist in einem solchen Fall also ein Indiz für einen guten und nicht für einen schlechten Sicherheitszustand.“
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