Unter den Nazis nahm der Antisemitismus brutalere Formen an
800 Jahre jüdisches Leben in Hameln: Als der Judenhass erneut erstarkte
Die perfide Hetze gegen die Juden kannte keine Grenzen: Direkt neben der Synagoge in Hameln hatten die Nazis zwei Schaukästen platziert, in denen das antisemitische Wochenblatt „Der Stürmer“ ausgehängt wurde. Foto: Sammlung Gelderblom
HAMELN. Nach der rechtlichen Gleichstellung der Juden im Gefolge der Annektion Hannovers durch das Königreich Preußen 1866 schaffte die Mehrheit der Hamelner Juden in wenigen Jahrzehnten den Aufstieg in die bürgerliche Mittelschicht. Zahlreiche Juden zogen aus umliegenden Dörfern und Kleinstädten zu; gleichzeitig lockten Großstädte wie Hannover und Berlin. Berufliche Schwerpunkte blieben neben dem Land- und Viehhandel der Verkauf von Textilien und Schuhen. Es gab drei jüdische Ärzte und zwei Rechtsanwälte.
Bernhard Gelderblom
Juden waren zu jüdischen Deutschen geworden. Die Mehrheit schloss sich im „Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ zusammen. Die religiöse Bindung hatte sich gelockert. Ehen zwischen Juden und Christen waren häufiger. Übertritte zum Christentum gab es nach wie vor. Stärker als die religiöse Bindung war die Leidenschaft für die „deutsche“ Kultur, für Kant, Goethe und Schiller, für Bach, Beethoven und Schubert. In ihrem Bekenntnis zu den bildungsbürgerlichen Werten übertrafen die jüdischen die nichtjüdischen Deutschen.