Aerzen. Deutschlands Rugby-Nationalteam der Männer bereitete sich zwei Tage in Schullandheim Riepenburg auf das anstehende Länderspiel gegen Georgien vor.
Es müssen nicht immer Fünf-Sterne-Hotels und exotische Weltregionen sein. Während die Fußball-Kollegen etwa in Katar dem Saisonstart entgegentrainieren, zeigen sich die Stars der deutschen 15er-Rugby-Nationalmannschaft bescheidener und bodenständiger. Zwei verregnete Tage hatten sich Trainer Kobus Potgieter und seine Spieler ins äußerst abgelegene, in Nebelschwaden gehüllte Schullandheim Riepenburg oberhalb von Aerzen zurückgezogen. Kein Medienrummel, keine TV-Teams, nur die Rugbybegeisterte Redakteurin eines hannoverschen Lokalradios und ein Dewezet-Vertreter konnten mit Potgieter und seinen Jungs sprechen.
„Wir bereiten uns hier in der Abgeschiedenheit auf das so wichtige Spiel gegen Georgien am 6. Februar in Tiflis vor“, erklärt Potgieter. Der 35-jährige Südafrikaner lebt seit acht Jahren in der Rugby-Hochburg Heidelberg und hat seinen Traumjob gefunden. Warum gerade die Riepenburg? „Weil die von Frank Himmer geleitet wird“, erklärt der Coach. Der ist nicht nur Chef des von der Region Hannover getragenen Schullandheims, sondern auch Bundesliga-Schiedsrichter und Rugby-Größe. „Wir können uns einfach keinen besseren Ort vorstellen“, meint auch Robert Mohr. Der Hannoveraner zählt zu den wenigen Spielern, der schon einmal in einer ausländischen Profiliga tätig waren. Sportlich ging es an diesem Vorbereitungswochenende zwar vor allem um den Start in die Rugby Europe Championship mit dem schweren Spiel gegen Titelverteidiger Georgien, doch werden auf der Riepenburg keine taktischen Spielzüge trainiert. „Teambuiling“ steht stattdessen auf dem Stundenplan. Während sich die Spieler brav in einer Schlange vor der Essensausgabe anstellen, stellt Trainer Potgieter klar: „Teambuilding, das heißt für uns mehr als nur Kennenlernen. Wir Trainer geben dabei anhand von Aufgaben den Rahmen vor, den die Jungs dann selber mit Leben füllen müssen. Sie müssen bereit werden, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Starallüren gibt´s nicht. Das ist beim Rugby extrem wichtig.“
In der Praxis bedeutet das: um kurz nach 5 Uhr früh aufstehen, im kalten, dunklen und feuchten Wald an der körperlichen Fitness arbeiten, und vor dem Mittagsessen mal schnell einen Baumstamm den Berg hinauftragen. Gemeinsam natürlich. „Auch einen angeblich verletzten Kameraden mussten wir transportieren“, berichtet Daniel Koch, der von Germania List aus Hannover ins Trainingslager gekommen ist.
„Klingt abgedroschen, aber die Mannschaft ist der Star“, so Frank Himmer. Über Vergleiche mit Fußball wird nicht geredet. Was freilich hochinteressant wäre, denn die Unterschiede sind frappierend. Taktische Fouls etwa sind für die harten Rugby-Jungs ein Grund für eine drastische Sperre, und der Schiedsrichter darf – wenn überhaupt – ohnehin nur über den Mannschaftskapitän angesprochen werden.
Trotz der letztjährigen Rugby-WM, die einen richtigen Hype mit sich gebracht hat, ist Rugby nach wie vor eine medial vernachlässigte Randsportart. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass es eine Sportart mit viel Charakter ist. Auch wenn das Baumstammschleppen recht martialisch wirkt, so zeigen die Rugby-Jungs auf der Riepenburg doch, dass sie alle trotz harter Schale einen liebenswerten, weichen Kern haben. Und viel Charakter eben. Stille Stars ohne das sonst übliche Getöse. Und deshalb kann man ihnen für den Fight gegen Georgien nur die Daumen drücken.
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