Liebe: Gegensätze ziehen sich an! Oder doch nicht?
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Ob Bildungsniveau, politische Einstellung oder Alkoholkonsum: Zu den meisten Punkten haben Paare eine sehr ähnliche Haltung.
© Quelle: imago/Ikon Images
Sie macht blind, geht durch den Magen und kriecht, wo sie nicht gehen kann: Über kaum etwas gibt es so viele Volksweisheiten wie über die Liebe. Zwei der prominentesten Sprichworte widersprechen sich allerdings fundamental: Sowohl für „Gleich und gleich gesellt sich gern“ als auch für „Gegensätze ziehen sich an“ findet fast jeder Mensch aus dem Stegreif ein Beispielpaar aus dem Bekanntenkreis. Aber was stimmt denn nun?
Nicht nur Küchenpsychologen, Romanautorinnen oder Musiker interessiert, was Menschen zusammenbringt und vor allem ‑hält, sondern auch die Wissenschaft. In großem Stil untersuchte ein Forschungsteam aus den USA die viel zitierten Volksweisheiten – und publizierte die Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Human Behaviour“.
Um es kurz zu machen: „Gleich und gleich gesellt sich gern“, so lautete das Fazit der federführenden Studienautorin Tanya Horwitz, die an der Universität von Colorado (USA) promoviert. Paare sind sich demnach in mehr als 80 Prozent der untersuchten Merkmale oft bemerkenswert ähnlich – von politischen Ansichten über Drogenkonsum bis hin zu ihrem IQ oder dem Alter, in dem sie zum ersten Mal Sex hatten. Doch was bedeutet „Gleich und Gleich“ konkret?
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Was „Gleich und Gleich“ meint – und was nicht
Dafür ist das wissenschaftliche Vorgehen der Forschenden interessant: Für ihren Artikel durchforsteten sie zahlreiche vorangegangene Studien, die sich mit der Frage beschäftigten, wie ähnlich oder unähnlich sich Paare sind. Insgesamt wurden 22 Merkmale in fast 200 Untersuchungen unter die Lupe genommen. Bis ins Jahr 1903 reichte die Datengrundlage zurück – und umfasste Millionen gegengeschlechtlicher Paare. Aber auch aktuelle Daten wurden auf die beiden berühmten Liebessprichworte getestet: Das Forschungsteam wertete aus, inwiefern sich 80.000 heterosexuelle Paare aus dem Vereinigten Königreich in 133 unterschiedlichen Eigenschaften ähneln.
In 82 bis 89 Prozent der untersuchten Eigenschaften ähnelten sich die Paare: etwa im Hinblick auf ihre politischen und religiösen Einstellungen, ihr Bildungsniveau und ihren Alkoholkonsum. Signifikante Unterschiede zwischen den Partnerpersonen fand das Forschungsteam in nur 3 Prozent der Merkmale: Größe, Gewicht oder gewisse Persönlichkeitszüge variierten stark innerhalb der Partnerschaften. Wer beispielsweise extravertiert ist, ist nicht mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch mit einer ebenso extravertierten Person zusammen.
Die Anziehungskraft der Gegensätze
Wenn sich Gegensätze in Beziehungen anzogen, dann waren die Zusammenhänge allerdings weniger stark ausgeprägt: wenn sich etwa Frühaufsteher und Nachteulen zusammentaten, Linkshänder und Rechtshänder eine Beziehung führten oder unbeschwerte Menschen sorgenvolle Partnerinnen oder Partner hatten.
Trotz der hohen Fallzahl kann die Studie nicht ohne Weiteres auf die Allgemeinheit übertragen werden. So untersuchten Horwitz und ihr Team in ihrer Metaanalyse vor allem die Daten von Paaren aus Europa und den USA. Die darüber hinaus rekrutierten 80.000 Paare waren im Alter zwischen 40 und 69 Jahren, lebten in sozioökonomisch privilegierteren Verhältnissen sowie rauchten und tranken seltener als die Allgemeinbevölkerung. Einschränkend kommt hinzu, dass lediglich Heteropaare Teil der Untersuchungen waren.
Dass Partnerpersonen sich oft eher ähneln als unterscheiden – insbesondere in zentralen Werten, Interessen oder politischen Überzeugungen – ist allerdings keine neue Erkenntnis. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass die Partnerwahl aufgrund von Ähnlichkeiten, beispielsweise auch beim Bildungsabschluss, sogar die soziale Ungleichheit in Gesellschaften verstärken kann. Und wie heißt es noch so schön im Volksmund? Bei Geld hört die Liebe auf.