Die Versicherung Axa Art hat damals eine Belohnung ausgesetzt: 10 000 Franken (6000 Euro). Der Versicherungswert der Bilder wurde mit drei Millionen Euro beziffert. Inzwischen hat die Versicherung Entschädigungssummen an die Stadt Hannover für den „Pferdekopf“ und an die Sprengel-Stiftung für das Stillleben gezahlt. Es floss jeweils etwas über eine Million Euro. „Das liegt unter der ursprünglich angegebenen Versicherungssumme, weil die Preise für Kunst gefallen sind“, erklärt Sprengel-Tochter Angela Kriesel. Sie hielt bereits die ursprüngliche Schätzung für zu niedrig.
Die Sprengel-Stiftung habe die Summe angelegt, so Kriesel, „in der Hoffnung, dass wir das Bild wiederbekommen“. Auch die Stadt habe das Geld angelegt, sagt Kulturdezernentin Marlis Drevermann. Immer wieder klingeln im Rathaus wegen des Pfäffikon-Raubs die Telefone. „Es hat mehrere Hinweise gegeben. Spuren führten bis nach Südosteuropa.“ Ulrich Krempel, Direktor des Sprengel Museums, bestätigt, „dass es hinter den Kulissen immer wieder Bewegung gibt“. Insgesamt sei die Lage unübersichtlich: „Kriminelle sind seit der Öffnung der Ostgrenzen auf vielen Märkten unterwegs.“
Die in Kassel lehrende Kunsthistorikerin und -detektivin Ulli Seegers sagt: „Man darf nicht glauben, dass nichts mehr passiert, wenn ein Fall länger zurückliegt, schon gar nicht, wenn es sich wie im Pfäffikon-Fall um unschätzbare ideelle Werte handelt. Zwei bis drei Jahre nach einem Diebstahl fängt es für die Jäger oft erst an, interessant zu werden. Hehler, Diebe und Gauner beginnen, sich auf der sicheren Seite zu fühlen. Sie denken, es sei Gras über die Sache gewachsen.“
Maja Pertot Bernard, in London für das Art Lost Register (ALR) tätig, eine rund 250 000 gestohlene Werke auflistende Datenbank, sagt: „Diebstähle beschäftigen die Polizei, solange es Spuren gibt. Die Fälle werden eine Weile offengehalten und wieder aufgenommen, wenn etwas Neues zutage kommt.“ Bei wertvollem Diebesgut informiere die Polizeistelle Interpol, die die Daten in ihre Datenbank stelle, so auch die Angaben der Picasso-Bilder.
Die Auffindungsrate für Werke von hohem Wert liege bei 20 Prozent, sagt Bernard. 40 Prozent der Funde würden in anderen Ländern als jenen gemacht, in denen der Diebstahl passiert sei. An der Spitze der am häufigsten entwendeten Werke stünden seit Jahrzehnten unangefochten Picassos. 659 Picasso-Werke sind beim ALR als gestohlen oder vermisst geführt.
Herausragende Bilder werden laut ALR aus zwei Gründen gestohlen: aus Naivität – die Täter hören von exorbitanten Summen. Oder es handelt sich um „Trophy Thefts“, die sich in der Unterwelt damit brüsten: „Ich bin der Kerl, der Picassos gestohlen hat.“
Mitunter dauert es Jahrzehnte, bis ein Werk wieder auftaucht. Auch die Auffindung der Picasso-Werke aus Hannover könnte lange auf sich warten lassen. Die Fahnder, sagt Stefan Horsthemke vom Kunstversicherer Axa Art, gehen „von professionellen Tätern aus, die im Kunstbereich Amateure sind“. Es könne auch ein Zusammenhang mit dem wenige Tage nach der Tat begangenen Kunstraub in Zürich bestehen. Aus der Sammlung Bührle wurden damals vier Werke gestohlen. Zwei davon – ein Bild von Paul Cézanne und eines von Edgar Degas – sind noch verschwunden. Möglicherweise waren dieselben Täter am Werk.
Vor etwa einem Jahr gab es in Schweizer Zeitungen die Meldung, DNA-Spuren hätten im Bührle-Fall zu Rammbockräubern geführt. Das sind Kriminelle, die mit Autos Luxusläden rammen und ausräumen. Dann war nichts mehr davon zu hören. Aus einer Quelle, die ungenannt bleiben möchte, ist zu erfahren, manche heiße Spur ende an Schweizer Zolllagern. Zugriff hat die Polizei auf diese nicht. Lagern etwa dort die Picassos aus Hannover, in Pappe oder Plastik gehüllt? Man wird es, solange sich die Gesetzeslage nicht ändert, kaum erfahren.