Gibt es „gute“ und „schlechte“ Kohlenhydrate?
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Vermeintliche Dickmacher: Weißbrot, Nudeln, Kartoffeln oder Zucker werden von vielen Menschen gemieden.
© Quelle: IMAGO/Pond5 Images
Vorurteile und Halbwissen zu „richtiger“ und „falscher“ Ernährung gibt es viele. Kohlenhydrate sind dabei keine Ausnahme. Es gebe viele Menschen, die sich angesichts vermeintlich „schlechter Kohlenhydrate“ strenge Verbote auferlegen und Lebensmittel ganz von ihrem Speiseplan streichen, sagt Rebecca Karpenkiel, Diätassistentin aus Hamburg. Sie setzt deshalb beim Thema Ernährung vor allem auf Aufklärung. „Ich versuche, die Begriffe ‚gut‘ und ‚schlecht‘ zu meiden und dafür von Kohlenhydraten zu sprechen, die sich günstig oder ungünstig auf unseren Körper auswirken“, sagt Karpenkiel.
Um zu verstehen, woher der Mythos von den „guten“ und „schlechten“ Kohlenhydraten kommt, ist es wichtig zu verstehen, was „Carbs“ (umgangssprachlich für „Carbohydrates“, engl. Kohlenhydrate) sind. Der Sammelbegriff umfasst alle Zucker- und Stärkearten, die in unserer Nahrung vorhanden sind. Kohlenhydrate sind vor allem in pflanzlichen Lebensmitteln wie Getreide, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse, aber auch in Milchprodukten zu finden.
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Drei verschiedene Kohlenhydrate
Es gibt drei unterschiedliche Arten von Kohlenhydraten. Monosaccharide, Disaccharide und Polysaccharide, deren molekularer Aufbau unterschiedlich komplex ist. Monosaccharide und Disaccharide (Ein- und Zweifachzucker) sind beispielsweise in Honig, Früchten und Haushaltszucker zu finden. Sie sind sehr einfach aufgebaut und können deshalb rasch verdaut werden – dadurch lassen sie den Blutzuckerspiegel schnell steigen. Für Polysaccharide (Mehrfachzucker) wie Stärke, die in Kartoffeln oder Vollkornbrot zu finden sind, gilt das hingegen nicht.
Und genau das ist wohl der Ursprung des Mythos von den „bösen“ Kohlenhydraten. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) enthalten viele Lebensmittel, denen Ein- und Zweifachzucker zugesetzt wurden, keine weiteren essenziellen Nährstoffe.
Viel Energie, wenig Nährstoffe
Das heißt konkret: Lebensmittel wie beispielsweise Schokolade oder Weingummi enthalten sehr viel Energie, aber wenig bis gar keine Vitamine oder Mineralstoffe. Außerdem machen sie nicht satt und lassen uns dank eines in die Höhe schnellenden und dann rasch wieder fallenden Blutzuckerspiegels mit Heißhunger zurück.
Diätassistentin Rebecca Karpenkiel berichtet von einem Teufelskreis, den viele kennen. „Durch den Heißhunger nehmen wir mehr Essen zu uns, als wir eigentlich brauchen“, erklärt sie. Reflexartig greife man weiter zur „schnellen“ Energie aus Süßigkeiten, Weißbrot oder Weizennudeln.
Der Körper mag Kohlenhydrate – egal woher
Denn unserem Körper ist es egal, woher die Kohlenhydrate stammen. Für unseren Organismus sind sie der wichtigste, weil effektivste und schnellste Energielieferant. Zwar liefern auch Protein und Fett im Notfall Power für Muskeln, Skelett und Organe – Kohlenhydrate werden aber bei der Energiegewinnung von unserem Körper bevorzugt. Darauf ist unser Stoffwechsel am besten ausgelegt. Und das ist auch gut so, denn der menschliche Körper braucht sehr viel Energie, allein um die grundsätzlichsten Körperfunktionen wie Atmen oder den Herzschlag auszuführen.
Ein echter „Energiefresser“ ist beispielsweise das Gehirn, dessen wichtigste Energiequelle Glukose, ein Kohlenhydrat, ist. Laut des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) macht das Gehirn zwar nur 2 Prozent des Körpergewichtes aus, benötigt aber jeden Tag etwa die Hälfte der durch die Ernährung aufgenommenen Kohlenhydrate zur Energieversorgung – und unter Stress steigt dieser Bedarf sogar noch an.
Besser Vollkorn- statt Weißbrot
Kohlenhydrate sind also kein teuflischer „Dickmacher“, sondern ein wichtiger Energielieferant, der jeden Tag dafür sorgt, dass wir unseren Alltag bestehen können.
Um den Heißhunger-Teufelskreis zu entgehen, empfiehlt Karpenkiel ihren Patienten und Patientinnen, zu nährstoffdichten Kohlenhydratquellen zu greifen. Beispiel Vollkornbrot: Dieses enthält neben Vitaminen und Mineralstoffen auch Mehrfachzucker und Ballaststoffe.
Ein Vollkornbrot mit Käse sorgt deshalb für ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl als ein Stück Weißbrot mit Honig. „Ballaststoffe spielen dabei ebenfalls eine wichtige Rolle“, so Diätassistentin Rebecca Karpenkiel. „Die unverdaulichen Pflanzenstoffe sorgen dafür, dass der Blutzuckerspiegel nur langsam steigt.“ Dadurch bleiben Heißhungerattacken meistens aus.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, den täglichen Energiebedarf mit 50 bis 60 Prozent aus Kohlenhydraten zu decken. Als geeignete Quellen nennen die Experten Vollkornprodukte, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Kartoffeln. „Sie sind reich an Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen“, heißt es. Zuckergesüßte Lebensmittel und Getränke, „wie Süßwaren, Kuchen und Softdrinks“ seien hingegen in der Regel nährstoffarm und würden nur kurz sättigen. Zudem enthalten sie unnötig viele Kalorien, warnt die DGE.
Zu viele Kohlenhydrate führen zu Übergewicht
Weil die Energie aus Kohlenhydraten für unseren Körper so wichtig ist, ist er nämlich sehr gut darauf vorbereitet, überschüssige Nahrungsenergie für schlechte Zeiten zu lagern – in Fettdepots an Bauch, Hüften, Po und auch in der Leber. Vor allem wenn regelmäßig zu viele Kohlenhydrate gegessen werden, kann das zu Übergewicht führen.
„Dabei spielt es dann auch weniger eine Rolle, aus welcher Quelle die Kohlenhydrate kommen: Bekommt der Körper zu viel davon, werden sie eingelagert“, sagt Rebecca Karpenkiel. Sie empfiehlt, die tägliche Kohlenhydratmenge dem Lebensstil anzupassen. „Wer sich viel bewegt, in seiner Freizeit aktiv ist oder einen körperlich anstrengenden Beruf hat, der kann etwas mehr Kohlenhydrate essen. Jemand, der inaktiv ist oder einen Bürojob hat, den er hauptsächlich sitzend verrichtet, benötigt etwas weniger“, so die Diätassistentin.
Strenge Verbote sind wenig sinnvoll
Gleichzeitig spricht sie sich gegen Verbote beim Essen aus. Denn wenn angeblich „schlechte“ Lebensmittel verboten werden, könne das eine längere Zeit gut gehen, „aber meist brechen irgendwann die Dämme“, so Karpenkiel. „Dann wird im Überfluss gegessen und eher zu Nahrungsmitteln gegriffen, die den Blutzuckerspiegel negativ beeinflussen“, warnt die Expertin. Strenge Verbote beim Essen führten deshalb meist dazu, dass eine gesunde Ernährungsweise nicht dauerhaft umgesetzt werden könne und steigere das Risiko für eine einseitige Ernährungsweise.
Also: Wer häufig auf günstige Kohlenhydratquellen wie Vollkornprodukte, Kartoffeln oder Obst und Gemüse zurückgreift und sich regelmäßig bewegt, muss sich nicht um Kategorien wie „gut“ oder „schlecht“ sorgen – und darf ganz ohne Verbote essen und genießen.