Mit Klein-Klein ist kein Staat zu machen. Erst die Wiederholung von Schlüsselpflanzen betont die Struktur eines Gartens. Im Pflanzmonat Oktober gilt diese Regel mehr denn je.
Ich erinnere mich mit einiger Scham an die ersten Jahre, in denen ich in autodidaktischem Zaudern eine endlose Reihe von Blumen wahllos zusammenwürfelte, fast peinlich übereifrig gekauft, um so viele Farben und Formen wie möglich unterzubringen, der Fröhlichkeit in den Beeten halber und mit der Aussicht darauf, interessierten und auch weniger interessierten Menschen erklären zu wollen, welch toller Hecht ich bin. Zurückgekehrt aus den Gärtnereien und Baumschulen, den Kofferraum voll mit Erde und Grünzeug und Dünger, grub ich Löcher, buddelte, schnitt und pflanzte, goss an und schrieb Schildchen, um nach dem Vorbild der botanischen Champions League alles nachvollziehbar zu machen. Ich tat wichtig.
Nichts von allem ergab ein schlüssiges Gesamtbild
Es kam, wie es kommen musste: Es wuchs, ja, aber das war’s auch schon. Nichts von dem, was ich in die Erde gebracht hatte, ergab ein schlüssiges Gesamtbild. Der Fehler war die Arroganz anzunehmen, dass viel auch gleich gut ist.
Die Sucht nach dem Besonderen und die Suche nach der Fülle hatten mich aufs Glatteis geführt, noch lange, bevor der Winter sich mit schwerem Geschütz ankündigte, mir meine Träume madig zu machen. Erst nach einiger Zeit – oh ja, es ist eine Kunst, sich beschränken zu können, aber sie ist wichtig – begann ich zu begreifen, dass alle Wirkung und Ästhetik niemals im Kuddelmuddel zu erreichen ist. Jede noch so gut gemeinte Aktion, die darauf abzielt, so viele Sorten und Arten unterzubringen wie möglich, wird ins Allerleiland führen, dorthin, wo Wirkung und Gegenwirkung einander neutralisieren. Kein roter Faden, kein Spannungsbogen. Das Beet ertrinkt im Blumenbrei.
Nur ein einzig Ritterspörnchen ’Galahad‘, bescheidener Wurzelstock des Phlox in Gesellschaft e i n e r bunten Margerite, e i n e s Feinstrahls, e i n e s Schleierkrauts, e i n e s Ziersalbeis, e i n e s Mädchenauges, e i n e s Echinacea-Sonnenhuts und hier und dort noch weitere Stauden. Das Projekt war zum Scheitern verurteilt, schon bevor ich den ersten Spatenstich getan hatte. Denn die Philosophie der Herrlichkeit verkündet anderes: Wellen einiger Arten, nicht Pfützen vieler. Daraus entsteht die Energie und Spannung, an der sich der Blick festhalten kann.
Tröstlich festzustellen, dass selbst eine Gertrud Jekyll, Erschafferin der Traumlandschaften Sissinghursts, sich mit dem eigenen Reglementieren schwertat. Das darf kein Freifahrtschein für belanglose Vielpflanzerei sein. Denn Miss Jekyll komponierte dennoch außerordentlich, erschuf Wellen verschiedener Farbfamilien, die ineinanderflossen, weil sie sich auskannte. Mir scheint, dass es zudem ratsam wäre, zum Beispiel in die Fußstapfen einer Phyllis Reiss zu treten. Auf Tintinhull in der südenglischen Grafschaft Somerset schuf sie Gruppen von Farbfamilien und kontrastierenden Blöcken und arbeitete bewusst mit sich wiederholenden Elementen. Viele Gärtner nach ihr nahmen sich daran ein Beispiel. Und wenn ich sehe, dass Phyllis Reiss von der Gartenhistorikerin und Autorin Penelope Hobhouse in allerpositivstem Sinn als „begabte Amateurin“ ohne „formale gärtnerische Ausbildung“ umschrieben wird, fällt es umso leichter, sich daran ein Beispiel zu nehmen.
Jens F. Meyer(j.meyer@dewezet.de)