Was ich dem Garten gebe, das schenkt er mir in Tausenden Momenten zurück. Luft und Liebe. Dazu bedarf es nicht zwingend sommerlichen Leichtgefühls. Noch wenn im März – die Fingerkuppen gerötet und Schauer ziehen grantig über uns hinweg – die Kälte beißt, empfinde ich die ersten ausgedehnten Arbeiten mit anschließendem Muskelkater als wertvolle Momente, geboren aus der Flamme eines Zaubers, die nicht an dunkelstem Wintertage zu erlöschen drohte.
Hier nun stehe ich im forschen Wind, den Kragen hochgeschlagen, Spaten und Ambossschere bei mir, und sollten himmlische Tropfen niederfallen, sehe ich darin die Taufe eines Augenblicks, der nicht ewig währt, der aber zumindest eine kleine Ewigkeit in Gang bringen könnte, weil die Pfingstrose, die ich setzte, gut ein Jahrhundert alt werden kann.
Die schweren wie die schwerelosen
Überhaupt: alle Wetter! Sie gehören dazu, die schweren wie die schwerelosen. Wollten wir auf Erden hier sie ändern, maßten wir uns an, Göttliches vollbringen zu können. Wir können es nicht, wir sollten es nicht und auch nicht versuchen. Ich vertrete den Standpunkt, sich über gutes Wetter zu freuen, anstatt über das vermeintlich schlechte zu lamentieren. Es ist augenscheinlich ja auch die Perspektive, die erst zu einem ausgewogenen Urteil führen kann. Per se ist Regen jedenfalls nicht schlecht; er wird nur schlechtgeredet – zunächst einmal von Menschen, die bei anhaltendem Sonnenschein dann aber die ersten sind, die den Wasserhahn aufdrehen, um stundenlang ihren Sportrasen zu sprengen, damit er saftig grün bleiben möge. Woanders auf der Welt dürsten übrigens nicht nur Blumen und Gras.
Grundsätzlich darf auch Kälte nicht als Störer verurteilt werden. Bleibe ich bei meiner gerade gepflanzten Päonie, dann fällt mir dazu ein, dass ihre Art umso reichhaltiger knospt, je inniger der Winter Eis und Schnee über sie legt. Es gibt bestimmte Gattungen, die die Kälte nutzen, um in einen tiefen Schlaf zu gelangen, aus dem sie umso schöner heraus erblühen. Pfingstrosen gehören dazu. Ist der Winter nass und halb lau, mag manche Art nicht recht zur Ruhe kommen. Homo sapiens geht es meiner Meinung nach genauso.
Weniger von dieser
atemlosen Ambition
Mehr Luft und Liebe, dafür weniger von dieser atemlosen Ambition, die ich mitunter bei hektisch Tätigen beobachte, wird dem Charakter eines Gartens gerecht. Die einzigen Mauern, die hier gebaut werden, sollen die Wärme des Fixsterns auffangen und an Rosen und Clematis zurückstrahlen; die einzigen Grenzen, die hier gezogen werden, müssen verbinden und nicht teilen; die vielen Zweifel, die uns selbstverständlich immer wieder befallen, haben wir in positive Energie umzumünzen. Luft und Liebe sind die besten Nährstoffe, die wir auf diesem, unserem Terrain ausbringen können. Dicht dahinter folgt reifer Kompost.
Jens F. Meyer
j.meyer@dewezet.de
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