Wenn ich ein Eichhörnchen wäre, würde ich meinen Kobel in der Krone eines Walnussbaums bauen, direkt dort, wo das Essen wächst. Schlaraffenland in Wipfelhausen. Ich müsste nur warten und schaute zu, wie die Früchte in der grünen Umhüllung immer dicker würden, bis sie zu Boden fielen und aufplatzten, was ein untrügliches Zeichen dafür wäre, das Lätzchen umzubinden.
Schnell am Stamm hinunterkraxeln, wie ein Wirbelwind zur gefallenen Frucht hecheln, knacken, knabbern und das Ränzlein rubbeln.
Im Herbst ständig auf Nussexpedition
Das Flitzen würde ab Ende September kein Ende nehmen, bis weit in den November hinein, denn der Wintervorrat muss herbeigeschafft werden. Eine Nuss nach der anderen müssten wir, Frau und Herr Hörnchen von und zu Eich, dort hinterlegen, wo keine anderen sie fänden, um die kargen Zeiten zu überstehen.
Wenn ich ein Eichhörnchen wäre, würde ich mich allerdings auch wundern, warum die Menschen das nicht entsprechend tun und sich nicht nur dumm anstellen, sondern es auch sind. Es gibt zum Beispiel Exemplare, die auf die Leiter steigen, um Nüsse zu pflücken.
Ich könnte mir vorstellen, aus dem Kobel kuckend dieses Schauspiel mit einiger Verwunderung zu verfolgen, um festzustellen, dass die dummen Nüsse nicht die sind, die am Baum hängen. Insgeheim würde ich mich als Hörnchen, stellvertretend für meine muntere Schar, außerdem still bei denen der Gattung Homo sapiens bedanken, die unentwegt die zu Boden gefallenen und perfekt verpackten Früchte keines Blickes würdigen, weil so mehr übrig bleibt für die Hörnchengemeinschaft.
Ich wüsste vielleicht nicht, dass Homo sapiens aus dem Lateinischen übersetzt „weiser, gescheiter, kluger Mensch“ heißt, aber vermutlich wissen die Nüssepflücker und Nusslinksliegenlasser das auch nicht, also wäre es mir als Sciurus aus der Gattung der Sciurini, um jetzt mal richtig dick aufzutragen, vollkommen gleichgültig.
Wir Hörnchen wüssten das Glück jedenfalls zu schätzen, das unter den Kronen der großen Wal- und Nussbäume sogar innerstädtisch auf der Straße zu finden ist und nicht nur in freier Landschaft. Den buschigen Schwanz aufgestellt, die nächste Nuss ins Visier genommen und ab damit ins Winterlager, wenn ich’s nicht gleich hier und jetzt verspeisen würde. In Jahren, da die Ernte reich ist und die Qualität gut, vermag uns keine dräuende Kälte zu schockfrosten, denn die Fette, Mineralien und Vitamine in den Nüssen sind unsere Lebensversicherung.
Wenn ich ein Eichhörnchen wäre … mjammmjamm …
Wenn ich ein Eichhörnchen wäre, mjammjamm, würde ich jetzt schon wieder Hunger haben, die Haselmaus auf Abstand halten und die Krähen zu verscheuchen versuchen. Ich bin aber kein Eichhörnchen, obwohl es Situationen gibt, in denen ich gerne eines wäre, weil die sich nicht fremdschämen müssen für ihre Gattung. Vielleicht im nächsten Leben.
Jens F. Meyer, j.meyer@dewezet.de
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