Hameln. Holland – das Land der Seen, Flüsse und Kanäle. Hübsche Häuschen, umgeben von Grün, vor allem aber und immer wieder: von Wasser. Und deshalb zumeist mit eigenem Bootssteg vor der Haustür. So in etwa mag sich Anke Blume, FDP-Bewerberin für das Amt des Oberbürgermeisters, das Szenario vorgestellt haben, als sie davon sprach, in Hameln solle eine „Hafen-City“ entstehen, mit Wohnen und Gewerbe am Hafen. Und auch ihr Mitbewerber Ralf Wilde von der SPD („der Hafen führt ein eher tristes Dasein“) hatte sich für eine Revitalisierung des Areals starkgemacht und dazu aufgefordert, einen Ideenwettbewerb zu entwickeln.
Unterstützung hatten beide von Claudio Griese bekommen: Der CDU-Chef ist bekanntlich ab November Oberbürgermeister und hatte die Weser „eine Herzensangelegenheit“ genannt. Auch Griese kann sich attraktive Wohnviertel am Fluss sowie eine gemischte Nutzung vorstellen, die er im Rahmen eines „Masterplans 2030“ umsetzen möchte. Gemeinsam ist allen Dreien die Erkenntnis, dass es dazu aber privater Investoren bedarf. Denn die Stadt hat kein Geld.
Die finanzielle Machbarkeit ist indessen nur ein Hinderungsgrund. Mögliche Investoren seien mit einem erheblichen Konfliktpotenzial konfrontiert, hatte Wilde – er ist zugleich Fachbereichsleiter im Hamelner Rathaus – eingeräumt. Diese Aussage hatte besonders die Bewohner des Senator-Meyer-Weges mit der Hausnummer null beruhigt – die Mitglieder des Hamelner Hafenvereins. Sie haben sich dort nämlich mit acht Hausbooten ein Refugium geschaffen, dass sie durch eine wie auch immer geartete Hafen-City in Gefahr sehen. Wilde jedenfalls hatte von hohen Hürden gesprochen und gemeint, das sei planungsrechtlich vermutlich gar nicht umzusetzen.
Wolfgang Kaiser, ein profunder Kenner der Stadt und ihrer Baugeschichte, möchte sich als ehemaliger Fachbereichsleiter Planen und Bauen eigentlich nicht zu aktuellen Themen der Stadtentwicklung äußern („das können die Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung viel fundierter als ich, weil sie die notwendigen Hintergrundinformationen haben“). Gleichwohl gibt er sich skeptisch angesichts einer tief greifenden strukturellen Veränderung in diesem Bereich, die nach den Vorstellungen der Planer auch Wohnungen beinhalten sollten. „Der Hafen ist das wichtigste Industriegebiet, das wir haben. Es besteht eben nicht nur aus den Mühlengebäuden, sondern wird geprägt durch zahlreiche andere Betriebe, allen voran Volvo CE, die Arbeitsplätze schaffen und sichern“, sagt Kaiser. Und wenn man auf ein Luftbild schaue, sehe man, dass das gesamte Areal umgeben sei von Gleisen der Hafen-und Industriebahn, die von der Firma Kaminski genutzt würden.
„Wenn man dort etwas ändert, gefährdet man den Standort ansässiger Unternehmen und damit Arbeitsplätze. Man sollte nie vergessen, dass Wohnungsbau und Industrie sich niemals miteinander vertragen; solche absehbaren Konflikte sollte man unbedingt vermeiden und einen respektvollen Abstand voneinander halten“, warnt Kaiser vor möglichen Konflikten. Er könne sich allerdings auch einen Abbruch der nicht mehr genutzten Gebäude vorstellen, denn: „Eine Bereicherung für die Stadtsilhouette waren die Mühlengebäude noch nie, daran wird auch eine Umnutzung nichts ändern.“
Eine andere, immer mal wieder ins Spiel gebrachte Idee: Im Hamelner Hafen eine richtige Marine zu schaffen, an der Sportbootfahrer anlegen können. „Wir haben vor so einer Konkurrenz keine Angst“, versichert Alfred Harland, Vorsitzender des Motorboot Club Hameln, der gerade ein neues Vereinsdomizil gegenüber der Tünderschen Warte baut und während der Saison immer auch Gastliegeplätze anbieten kann. Abgesehen von den Kosten, die so eine Marina verschlingen würde, hält Harland das Umfeld des Hafens für trostlos. „Das müsste erst alles bereinigt werden“, glaubt er und verweist auf das Beispiel Bodenwerder. Dort müssten die Bootfahrer an einer metallenen Spundwand hochklettern und lägen abends im Schatten. „Dann könnte man auch gleich in einer Schleuse übernachten.“
Ob Hafen-City oder Marina – Visionen werden gebraucht, auch für den Hafen. Davon jedenfalls ist der Hamelner Architekt Axel Hagemeyer überzeugt. „Man muss Diskussionen zulassen, statt sie gleich im Keim zu ersticken, auch wenn sie zunächst utopisch erscheinen“, fordert er. Jede wilde Idee sei zunächst einmal gut. „Im Übrigen zieht Wasser Menschen an“, sagt Hagemeyer und nennt den Kanal in Hannover-Misburg. „Je näher man ihm kommt, desto teurer wird es da, obwohl das nicht einmal eine natürliche Wasserstraße ist“, sagt er.
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