HAGENOHSEN. Je näher die Umsetzung der Dokumentationsstätte über den NS-Schauplatz der Reichserntedankfeste am Bückeberg rückt, desto lauter werden die Stimmen der Kritiker, denen die geplante Stätte zu groß und zu teuer ist. Aber auch die Befürworter der Stätte melden sich zunehmend zu Wort.
Die Stimmen der Kritiker der geplanten Erinnerungsstätte am Bückeberg werden lauter: Sie schreiben Leserbriefe, suchen das Gespräch mit der Dewezet-Redaktion und starten, wie berichtet, Unterschriftenaktionen. Aber auch die Befürworter der Stätte, die den nationalsozialistischen Schauplatz der „Reichserntedankfeste“ am Bückeberg dokumentieren soll, melden sich zu Wort. So hat der Verein „Netzwerk Erinnerung und Zukunft in der Region Hannover“ bereits vor einigen Tagen eine Resolution für die Unterstützung der Stätte verabschiedet. Gestern sprach sich die Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten für das geplante Projekt aus. Auch Landrat Tjark Bartels steht weiterhin hinter dem Projekt.
Die Gegner des jetzigen Entwurfs kritisieren, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden sei, als wäre bereits das letzte Wort gesprochen. „Die Stätte ist ein Projekt des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte, über das die Politik im Kreis bislang noch nicht befunden hat“, sagt Irmgard Lohmann, CDU-Mitglied in Kreistag und Gemeinderat Emmerthal, im Gespräch mit der Dewezet.
Tatsächlich ist das Thema politisch noch nicht durch. Vom Kreissausschuss beschlossen wurde bislang nur ein Zuschuss in Höhe von 24 000 Euro an den Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte „zur Konzeptionierung und Vorbereitung eines Dokumentations-, Informations- und Lernorts Bückeberg“. Allerdings heißt es in der Vorlage auch, dass die bauliche Umsetzung des Konzepts „in den Jahren 2018 und 2019“ mit einem „Betrag von jeweils 30 000 Euro im Investitionsprogramm“ zu veranschlagen sei.
Lohmann hält das Projekt für „nicht zeitgemäß“ und mit 450 000 Euro für „zu kostspielig“. Junge Menschen würden sich heute eher über das Smartphone über „solche Dinge“ informieren, anstatt über Informationstafeln, wie sie am Bückeberg vorgesehen sind. Und wenn das Projekt, wie der Historiker und Vorsitzende des Vereins Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte, Bernhard Gelderblom, behaupte, „von nationaler Bedeutung“ sei, dann, so ein weiterer Kritikpunkt Lohmanns, sollte sich auch eine Finanzierung des Projektes auf Bundesebene finden lassen.
Aufgrund ihrer Erfahrung als Steuerberaterin rechne sie überdies mit deutlich höheren Folgekosten als bislang veranschlagt. Als Träger der Erinnerungsstätte sehen der Verein für regionale Zeitgeschichte und die Kreisverwaltung eine gemeinnützige GmbH vor, bestehend aus einem wissenschaftlichen Mitarbeiter und einer Viertelstelle (wir berichteten), mit dem Landkreis als Hauptgesellschafter. Während die Kreisverwaltung dafür von einem jährlichen Eigenanteil von 87 500 Euro ausgeht, rechne Lohmann mit 120 000 bis 150 000 Euro. Sie befürchtet aufgrund weiterer finanzieller Unabwägbarkeiten sogar ein finanzielles Desaster, wie es das mit der Erlebniswelt Renaissance im Hamelner Hochzeitshaus schon einmal gegeben habe. „Das passt nicht in den Haushalt und in die Finanzstruktur des Landkreises“, meint sie.
Karl-Otto Gericke, der gemeinsam mit anderen Anwohnern des Bückebergs, darunter auch Irmgard Lohmann, in der letzten Woche eine Unterschriftenaktion gegen das geplante Projekt initiiert hat (wir berichteten), kritisiert, dass der Öffentlichkeit in Bezug auf die Kosten „die Unwahrheit gesagt“ worden sei. „Der Eigenanteil des Landkreises beträgt nicht 60 000 Euro, sondern 225 000 Euro“, sagt Gericke. Eine Fehlinformation, die sich versehentlich auch in die Berichterstattung der Dewezet eingeschlichen hatte.
Gericke betont, dass sich die Aktion nicht gegen das Projekt an sich, sondern lediglich gegen „die dargestellte Form (…) aufgrund der unverhältnismäßigen Dimension“ und die Finanzierung durch öffentliche Mittel richte. Ferner befürchten Gericke & Co., dass die geplante Stätte von Neo-Nazis missbraucht werden könne.
Rolf Keller (CDU), stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Emmerthal, der ebenfalls gegen die Stätte in der geplanten Dimension ist, fühlt sich vom Verein für regionale Zeitgeschichte und von der Kreisverwaltung übergangen. Er habe vorgeschlagen, einen Teil der Dokumentation im Museum in Börry unterzubringen, habe aber nie wieder etwas von den Verantwortlichen gehört.
Landrat Tjark Bartels steht weiter „zu 100 Prozent hinter dem Projekt“, wie er im Gespräch mit der Dewezet sagt. „Die Bedeutung und Dimension dieses Ortes sind kaum zu überschätzen und angesichts dessen sind die Kosten nicht nur angemessen, sondern im Vergleich mit anderen Vorhaben eher niedrig in Anbetracht der hochkarätigen planerischen und konzeptionellen Arbeit, die für das große Areal dahinter steckt“, so Bartels. Er sehe aber auch, dass es offenkundig noch Gesprächsbedarf gibt. Deshalb wolle er im Januar „ein Fachgespräch und einen Erfahrungsaustausch mit anderen Vertretern der Gedenk- und Erinnerungskultur initiieren. Hierzu werde ich auch einen Vertreter der Kritiker einladen“.
Kritik an den Gegnern der geplanten Dokumentationsstätte äußerte gestern die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, die das Projekt bereits unterstützt. „Grundsätzlich begrüßt die Stiftung (…) den laufenden Diskussionsprozess, wenn er offen und sachlich geführt wird“, so Stiftungs-Geschäftsführer Dr. Jens-Christian Wagner in einer Pressemitteilung. „Es ist jedoch bedenklich, wenn unter dem Deckmantel angeblich zu hoher Kosten erinnerungspolitische Debatten mitschwingen, die unausgesprochen eine Verhinderung des Projektes zum Ziel haben und an Abwehrreflexe erinnern, die eigentlich als überwunden galten.“
Der „Verein Netzwerk Erinnerung und Zukunft“ in Hannover verabschiedete bereits vor einigen Tagen eine Resolution. Darin werden die Bürger in der Umgebung des Bückebergs dazu aufgerufen, „sich einer Politik des Verdrängens entgegenzustellen und den Prozess der Realisierung dieses Lernortes zu unterstützen“.
Mein Standpunkt Von Philipp Killmann Gewisse Aspekte sind in dieser Debatte womöglich untergegangen. Das lässt sich korrigieren. Dann kann die Diskussion wieder auf inhaltlicher Ebene geführt werden. Es lohnt sich. Denn der Wert so einer Stätte lässt sich nicht nur mit Geld aufwiegen.