Die Zahl der Graffiti-Tiere ist inzwischen auf 154 angestiegen. Das ist jedenfalls die Zahl, auf die Kuh-Fan Catheriné Pierré kommt. Und nicht nur in Minden ist die Schwarzbunte zu Hause, auch in Bielefeld, Paderborn, Hamburg, Köln und sogar Paris hat sie ihre Spuren hinterlassen.
Pierré ist es auch, die dem Graffti-Tier den Namen „Mooh“ verpasst hat. Seit mehr als zwei Jahren betreut sie die Facebook-Fanseite „Minden Moohketing“. „Mein damaliger Freund und ich haben uns immer Kuhfotos hin und her geschickt. Als dann die Festplatte von meinem Laptop kaputtgegangen ist, habe ich beschlossen, eine Facebook-Gruppe aufzumachen, sozusagen als Sammelplatz für die Kühe“, sagt die 28-Jährige. Mittlerweile folgen Catheriné Pierrés Seite fast 3000 Menschen.
Entdeckt sie oder einer der Fans eine neue Kuh, postet Pierré das Bild und den Standort der Kuh auf der Seite. Jede „Mooh“ hat außerdem einen Namen, den sich die Mindenerin passend zum Motiv ausdenkt.
Wer der Sprayer ist, wissen viele der Fans aber nicht – auch Pierré hat noch nie mit ihm gesprochen. Kaum etwas ist über den Sprayer bekannt, außer, dass es sich um einen jungen Mann aus Minden handeln muss, der sich „John“, manchmal aber auch „The Kuhl Kid“ nennt. Mitte des Jahres gab „John“ Radio Westfalica ein Interview, nachdem er das Wahlplakat von Michael Jäcke mit dem Kuh-Kopf übermalt hatte. „Sie geben uns Fleisch, Milch und mähen den Rasen. Außerdem mag ich ihr geschecktes Fellmuster. Wie uns Menschen, gibt es sie in Weiß, Braun, Schwarz oder gemischt. Rassenkonflikte tauchen aber nie auf, so sollte es doch sein“, erklärte der Sprayer seinen Antrieb.
Und dann existieren im Internet noch zwei Videos, die der Sprayer scheinbar selbst gefilmt hat. Zu sehen ist darin, wie er mitten in der Nacht in der Stadt Kühe an die Fassaden sprüht und auch, wie er sie in seinen Urlaubsorten hinterlässt.
Catheriné Pierré bewundert den Unbekannten. In ihren Augen hinterlässt er mit dem Tier nicht nur einen Farbklecks in der Stadt, sondern auch eine Botschaft. Viele der Motive beschäftigen sich mit dem Thema Rassismus, zum Beispiel die Kühe unter dem Pumpwerk mit dem Spruch „Hass ist Ballast“. Pierré ist sich sicher, dass „John“ ein Guter ist. „Klar, die Kühe sind streng genommen Sachbeschädigung, aber eine sinnvolle Sachbeschädigung“, findet sie.
Die Polizei ermittelt derzeit nicht gegen den Sprayer. Erst, wenn jemand eine Anzeige aufgibt und beklagt, dass seine Wand nun von einer Kuh verziert wird, werden die Beamten aktiv. „Es handelt sich bei den Graffiti um ein sogenanntes Antragsdelikt“, sagt Polizei-Pressesprecher Ralf Steinmeyer. Wird ein Sprayer allerdings auf frischer Tat ertappt, nehmen die Polizisten die Personalien auf, stellen seine Dosen sicher und machen je nach Fall auch Fotos und nehmen Fingerabdrücke.
Im Strafgesetzbuch fallen die bunten Bilder unter Paragraf 303 Sachbeschädigung. Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, heißt es darin. Dazu kommt es jedoch eher selten, sagt Steinmeyer. Meistens löst ein Anwalt das Problem für die Graffiti-Sprayer.
Teuer wird es allerdings, wenn es darum geht, die Bilder wieder zu entfernen. Auf einer Betonwand – einem Bushäuschen beispielsweise – kostet es 400 bis 500 Euro, die Kuh zu eliminieren. „Das kommt aber immer auf die Größe und den Untergrund an. Auf Klinkersteinen lassen sich Graffiti besonders schwer entfernen“, sagt Malermeister Horst Schuhmacher.
Ein Kuh-Bild, dass wohl ein Leben lang erhalten bleiben wird, ist auf der Haut von Marina Lohstroh zu sehen. Die 36-Jährige hat sich das wohl erste „Mooh“-Tattoo stechen lassen. Seit Oktober trägt die Mindenerin die Kuh, den Hasen und den Spruch „Bleib dir treu“ über ihrem rechten Knöchel spazieren. Im Original ist das Graffito an einem Stromhäuschen an der Stiftsallee zu sehen. So wie Lohstroh haben sich schon einige andere Mindener als Kuh-Fans geoutet. Burkhard Hedtmann zum Beispiel. Im März 2014 tauchte über Nacht eine Kuh an seinem Garagentor auf. Auch Bürgermeister Jäcke ist nicht abgeneigt von der „Mooh“. Auf seiner Facebook-Seite postete er im September das Wahlplakat, das „John“ mit einem Kuh-Kopf übermalt hatte. „Hallo John, das umgestaltete Plakat am Bahnhof gefällt mir so gut, dass ich es gerne auch über den Wahlkampf hinaus erhalten würde“, schrieb Jäcke. Geplant ist, das Plakat für einen guten Zweck zu versteigern.
Die Stadt Minden sieht das mit der wachsenden Kuhpopulation etwas kritischer. „So nett sie auch sein mögen, es ist und bleibt Sachbeschädigung“, schreibt Pressesprecherin Susann Lewerenz. Grundsätzlich sei man aber nicht gegen Graffiti – wenn sie geplant oder in Verbindung mit Projekten für Jugendliche entstehen. Ein größeres Problem stellen andere Graffiti oder Schmierereien dar – zum Beispiel am Zentralen Omnibusbahnhof, so Lewerenz.
So kostet es die städtischen Betriebe allein 15 000 bis 20 000 Euro im Jahr, die Graffiti zu entfernen. Noch einmal rund 40 000 bis 50 000 Euro werden aus einem anderen Topf der Stadt fällig, um Vandalismusschäden zu beseitigen. Eine eigene Statistik für die Graffitibeseitigung gäbe es hier allerdings nicht.
Auf Mindens Wänden gibt es neuerdings noch ein anderes Graffiti-Tier, das der „Mooh“ vielleicht künftig Konkurrenz machen könnte. Ein Pinguin wurde schon mehrfach da gesichtet, wo sich sonst die Kuh aufhält – auf Stromkästen und Buswarte-Häuschen. Fotos: mt
Nur wenige Buswarte-Häuschen sind vor ihr sicher. Mit dickem Bauch und ihren schwarzen Flecken macht sich eine Kuh in Minden breit. Inzwischen gibt es sie an mehr als 150 Stellen in der Stadt – und es werden immer mehr. Eine eher
ungewöhnliche Ansicht der Weserstadt.