In vielen Städten und Gemeinden Niedersachsens ist seit Möbus’ umstrittener Untersuchung bereits über die Rolle Sohnreys entschieden worden. Hannoversch Münden hat eine nach dem Heimatdichter benannte Realschule umbenannt, in Höxter laufen Pläne, eine Straße umzufirmieren, in Springe haben Einwohner derzeit die Möglichkeit, alternative Vorschläge zum jüngst abgeschafften „Sohnreyweg“ einzureichen.
Auch der Rintelner Ortsrat muss sich mit der Personalie Heinrich Sohnrey befassen. Morgen steht die mögliche Umbenennung des „Heinrich-Sohnrey-Wegs“ in der Nordstadt auf der Tagesordnung. Beginn der öffentlichen Sitzung im Rathaus ist um 19 Uhr.
Dabei wird sich die grundsätzliche Diskussion um den Einfluss des Dichters auf den Nationalsozialismus noch mindestens bis Herbst dieses Jahres hinziehen. Die Universität Göttingen prüft derzeit, ob sie Sohnrey auch die im Jahr 1934 verliehene Ehrenbürgerschaft aberkennt (wir berichteten). Weil die Universitätsleitung in diesem Zuge auch alle anderen Ehrenbürgerschaften, die zwischen 1933 und 1945 verliehen worden sind, auf den Prüfstand stellt, sei mit einer schnellen Entscheidung nicht zu rechnen, heißt es.
Der Rat der Gemeinde Geismar, in der ebenfalls eine Straßenumbenennung beantragt worden war, hat deshalb eine endgültige Entscheidung vertagt. Aber ist das im Sinne eines klaren Zeichens durch die Politik?
„Sohnreys Zusammenarbeit und seine damit verbundenen Verstrickungen mit dem NS-Regime sowie die Nähe von Sohnreys Gedankenwelt zur NS-Ideologie“ werden nicht bezweifelt. Nicht einmal von der pro Sohnrey eingestellten Sohnrey-Gesellschaft. Aber ist der Dichter laut Sohnrey-Gesellschaft nur „Fehleinschätzungen, Irrungen und Brüchen in seiner gesellschaftspolitischen Einstellung“ unterlegen?
Literaturwissenschaftler Möbus geht da weiter: Sohnrey sei mittels seiner Schriften als „Rassist, Wegbereiter eines Genozids an ,minderwertigen Rassen‘, Volksverhetzer und Kriegstreiber“ aufgetreten. Dieses Urteil bewertet die Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft wiederum in einer schriftlichen Reaktion auf Möbus’ wissenschaftliche Expertise als „polemische Charakterisierung des Schriftstellers“.
Bereits heute wird im Ortsrat Springe über einen neuen Namen des einstigen „Sohnreywegs“ abgestimmt. Die Entscheidung zur Namensänderung hatte der Ortsrat getroffen, nachdem Sohnreys Unterstützung der Nationalsozialisten bekannt geworden war. Die Beibehaltung des Namens war in Springe „nicht länger haltbar“, argumentierten die Ratsmitglieder dort.
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