Manchmal kann man schon mal den Überblick verlieren – den Durchblick gleich mit. In Redaktionen laufen dieser Tage reichlich E-Mails auf. Das liegt unter anderem an der Vorweihnachtszeit, wo gewöhnlicherweise vieles zum Fest und zum Jahresende noch in der Zeitung angekündigt werden will.
Die Nachrichtenlage ist obendrein vielschichtig, oft unübersichtlich – das liegt derzeit vor allem an Corona. Und so lohnt sich genaues Hinschauen – vor allem bei eingehenden E-Mails – ganz besonders dann, wenn man es gerade mal nicht so genau nimmt. Und so bekommt der E-Mail-Verkehr teils groteske Züge – auch wenn klar wird, dass einzig und allein der Empfänger der „Verbretterte“ ist.
Ein Beispiel von vor einigen Tagen: Die E-Mail-Betreffzeile „Corona in Versen“ lässt mich aufhorchen. Ach, Du Schreck – Nachrichten-Modus an: Was steckt dahinter? Inzidenz rasant angestiegen? Massentest in einem Schlachthof?
„Wo liegt denn nun schon wieder dieses verflixte Versen?“, frage ich mich. Oder ist es einfach nur ein Rechtschreibfehler und das Städtchen Viersen am Niederrhein ist gemeint? Aus manchem Betreff wirst du einfach nicht schlau, höre ich mich leise schimpfen. Gerade bin ich bis „Verdam...“ gekommen, da bemerke ich, um was es wirklich geht.
Lesen hilft, würde meine liebe Gattin an dieser Stelle behaupten. Denn beim näheren Hinsehen, merke ich – oh, Mann – es ist ja gar kein Ort gemeint. Nachrichten-Modus aus: Da kommt ein Gedicht per E-Mail! Über Corona. In Versen geschrieben, natürlich – wie auch sonst?!
Für diese Erkenntnis wäre nicht mal eine Transferleistung nötig gewesen. Lesen hilft eben, recht hat sie. Doch einfach machen es mir manche E-Mail-Absender nun wirklich nicht.
Beim Betrachten des Betreffs „Einladung zur Firmfeier“ sei zu meiner Rettung gesagt, dass ich die Kurve zwar spät, aber noch rechtzeitig bekommen habe. Kurz habe ich mich darüber gefreut, dass es dieses Jahr wider Erwarten doch die eine oder andere Anekdote über diverse Peinlichkeiten bei Betriebsweihnachtsfeiern geben könnte. Den Inhalt dieser Anekdoten kennen Sie alle selbst, doch langweilig werden sie irgendwie nie.
Firmfeier, Mann! Nicht Firmenfeier! Ein Klick auf den Inhalt der Mail verrät die wahre Absicht des Absenders. „20 Erwachsene werden gefirmt“, heißt es da. Ah ja, ok, Konfirmation auf katholisch. Anekdoten-Vorfreude verschoben: aufs nächste Jahr. Dann erzählen wir uns dieses Jahr eben doch die alten Klamotten! Die sind auch in zehn Jahren noch gut!
Als ich einen anderen E-Mail-Betreff las, war ich zugegeben etwas pikiert: „Bitte Pressebericht einstellen.“ Wie? So mies, dass ich es besser sein lassen sollte? Stift hinschmeißen, Computer aus? Feierabend? Besser noch: einen anderen Job suchen?
Nicht ganz: In dieser E-Mail verbarg sich die Mitteilung über eine Spendenübergabe. Der Absender bat freundlichst, den Pressebericht einzustellen. Gemeint war wohl, die Mitteilung zu veröffentlichen. Und ich grübele immer noch, ob der Absender nicht doch etwas zwischen den Betreffzeilen sagen wollte?!?
Bevor ich jetzt also meinen Pressebericht einstelle, sofort mit dem Schreiben aufhöre und mich in die Badewanne verabschiede, noch einmal kurz zurück zu „Corona in Versen“. Die Zeilen des Autors will ich Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten. Weil – in ohnehin wirren Zeiten – etwas Frohmachendes mitschwingt. „Das Beste draus machen“ ist wohl gemeint. Und das klingt so: „Wir sitzen gemütlich in unseren Heimen. Ich auch! Und nun will ich Euch Fröhliches reimen. Wir haben coronabedingt sehr viel Zeit und sind da zu häuslichem Wirken bereit. Oft stundenlang sind wir beschäftigt gewesen, mal wieder in spannenden Büchern zu lesen. Es ist auch erbaulich, Musik anzuhören, und niemand und nichts kann mit Reden uns stören. Das Fernsehprogramm ist zwar nicht zum Erbauen, doch kann man’s auch morgens und nachmittags schauen. Man kann gar mit Spielen die Zeit sich vertreiben, am Telefon quatschen, auch Briefe mal schreiben. Und steht uns ein anderer Mensch eher nah: welch’ Glück, wenn man uns in Gemeinsamkeit sah! Man kann dann erzählen, zuweilen auch lachen, sich Freude mit froher Erinnerung machen, dazu dann ein Glas mit beschwingten Getränken – und manchmal nur sitzen und gar nichts mehr denken.“
Dazu gibt es keine Alternative! Den letzten E-Mail-Betreff des Tages liefert Wetter Online: „Am Samstag wird es trüb!“ Na, also: Passt doch. Machen Sie sich einen gemütlichen Samstag zu Hause. Konzentrieren Sie sich auf das vom Autor beschriebene „häusliche Wirken“. Ich, für meinen Teil, habe da allerdings eine schreckliche Ahnung: Das häusliche Wirken wird wohl ziemlich sicher auf den heimischen Staubsauger ausgerichtet sein. Ich mache das Beste draus: Die Betreffzeilen von E-Mails sind mir dann jedenfalls schnuppe. Schönes Wochenende!