Ein verrutschtes Komma für Eisen-Werte – und für Jahrzehnte wurde Spinat für Generationen von Kindern zur Horrorvision, wenn der Tisch damit gedeckt war. Statt 3,5 Milligramm Eisen auf 100 Gramm Spinat waren es plötzlich 35 und Mütter wurden zu Spinat-Junkies.
Aus nichts als Liebe und Fürsorge. Eine Horrorgeschichte, die auf Tränen-Bächen daherschwamm. Allerdings, wie man heute weiß, eine erfundene war. Eine andere Lesart: Gustav von Bunge, ein Wissenschaftler in Basel, hatte bereits 1890 für 100 Gramm getrockneten Spinat den Eisenwert exakt mit 35 Gramm angegeben. Vermutlich wurde das Ergebnis in der Folge auf frischen Spinat übertragen, der wegen des hohen Wassergehalts allerdings nur ein Zehntel des Wertes besitzt. Heute ist, dank Verena Poth und dem Tiefkühl-Renner mit dem Blubb, Spinat kein Problem mehr.
Auch wenn es lange her ist – aber auch ich war als Kind nicht begeistert, wenn die grünen Blätter – wenn auch meist püriert – in Schüsseln auf dem Esstisch standen. Was mich rettete, war ein weiterer Mythos, nämlich der Glaube, dass Spinat nicht aufgewärmt werden dürfe. Darf er aber dank Kühlschrank-Technik. Wenn auch nicht zu oft und nicht in Mengen. Mittlerweile bin ich allerdings Spinat-Fan, knipse wöchentlich wenigstens einmal die dicken Stängel ab – und es sind viele, viele Stängel – und wasche die krausen Blätter mehrmals, bevor ich sie tropfnass, aber bereits gesalzen, in einem großen Topf zusammenfallen lasse.
Eines meiner Lieblingsgerichte hat Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann verfeinert – aber das Grundrezept gab es auch schon zu Hause. Einfache Hausmannskost, die feinen Pfannkuchen mit Spinat-Füllung, die unter einer Sauce royale gratiniert werden.
Es beginnt mit einem Pfannkuchen-Teig – eigentlich aber bereits auf dem Markt mit dem Erwerb von 1 kg Spinat. Alle anderen Zutaten werden sich hoffentlich in der häuslichen Küche finden. Für den Teig 50 g Mehl, 200 ml Milch, 2 Eier, 1 Eigelb, Salz, Pfeffer und Muskatnuss verarbeiten. Das heißt: Gründlich vermengen und eine gute halbe Stunde „rasten“ lassen.
In einer beschichteten kleinen Pfanne mit wenig Pflanzenöl nach und nach zwölf dünne Pfannkuchen backen, die im Rohr bei 50 Grad warm gehalten werden. Rund 400 Gramm geputzten Spinat – also ohne Stile und mehrmals gewaschen – in grobe Streifen schneiden. Eine gehackte Knoblauchzehe und 40 g gewürfelte Schalotten in 4 EL Olivenöl anschwitzen. Den gut abgetropften Spinat dazugeben und unter Schwenken zusammenfallen lassen. Mit Salz, Pfeffer und Muskat würzen und etwas abkühlen. Die Mischung auf den Pfannkuchen verteilen und eng aufrollen.
Für die Sauce royale 125 ml Sahne, 3–4 EL Milch und 125 g Crème fraîche glatt rühren. 3 Eier unterschlagen und mit Salz, Pfeffer und Muskat kräftig würzen. Die Pfannkuchen in eine gebutterte Auflaufform legen und fünf Minuten in den auf 150 Grad vorgeheizten Backofen schieben. Die Sauce royale darüber verteilen und weitere 20 Minuten backen lassen.
Mit etwa 40 g frisch geriebenen Parmesan bestreuen – Butterflöckchen darauf verteilen und für weitere 15 Minuten in den Ofen schieben, bis sich die Oberfläche leicht bräunt.
20 Gramm gewürfelte Schalotten, 1/2 gehackte Knoblauchzehe – wer Angst vor Vampiren hat, darf auch eine ganze nehmen – in 2 EL Olivenöl anschwitzen. Den restlichen Spinat, etwa 250 Gramm, zwei Minuten mitdünsten, dabei mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken. Pfannkuchen schräg aufschneiden und als schiefe Türmchen auf dem Teller verteilen. Den Spinat dazugeben und alles mit „brauner Butter“ – auch „Nussbutter“ genannt – beträufeln.
Zur Erinnerung: Braune Butter bekommt man, wenn die gewünschte Buttermenge in einem passenden Topf bei mittlerer Hitze langsam geschmolzen wird, bis sie eine goldbraune Farbe und ein nussiges Aroma angenommen hat. Die Butter durch ein mit Küchenpapier ausgelegtes Sieb gießen.
Die Pfannkuchen lassen sich natürlich auch mit Grünkohl, Wirsing oder Mangold füllen. Gourmets, die es sich leisten wollen, hobeln sich noch duftende Trüffel-Späne über die schrägen Türmchen. Ab sofort darf sich die Hausmannskost „von“ nennen.