In diese Richtung geht’s, denn das Tor zum Prinzenhof, der lange Zeit Sitz des Rintelner Amtsgerichtes war, wurde bis 1967 flankiert von zwei Radabweisern ganz besonderen Art, ebenfalls in Zylinderform. Deren Öffnungen waren gleichfalls mit Beton oder Mörtel gefüllt und sie wurden gerne von kleinen Jungs beim Einkaufsgang mit der Mutter durch die damals noch zahlreichen und vielfältigen Geschäfte als Sitzgelegenheit für die Verschnaufpause genutzt.
Dass die Hocker aus massivem Gusseisen mit ihrer für Kinder komfortablen Höhe in Wahrheit entmilitarisierte Kanonen waren, dürfte aber diese und auch die meisten Erwachsenen kaum interessiert haben. Das änderte sich kurzzeitig, als die beiden „Radabweiser“ im Jahr 1967 ausgegraben wurden. Zutage kamen zwei mächtige Kanonen, die in der Folgezeit auf einem künstlichen Hügel hinter dem Museum in der Eulenburg aufgestellt wurden und über den Josua-Stegmann-Wall zielen. Dort erinnern sie heute an die Festung Rinteln (1665 bis 1806), die 1807 unter napoleonischer Herrschaft geschleift wurde.
Bis dahin hatten zuletzt 28 Kanonen auf den Rintelner Festungsbastionen entlang der heutigen Wallstraßen gestanden. Die beiden Geschütze hinter der Eulenburg gehören mit ihrem Kaliber von 14,3 Zentimeter zur Klasse der Viertel-Karthaunen mit einem Rohrgewicht von etwa 1,2 Tonnen. Ihre 4,5 Kilo schweren Eisenkugeln, die in der Rintelner Garnison in der von der Regierung mitgelieferten Form gegossen werden mussten, flogen bis zu 1500 Meter weit und wenn die Kanoniere auf Zack waren in einem Takt von 30 bis 60 Sekunden. Die Schrifttafeln der Ausstellung zur Festungsgeschichte im Museum erzählen darüber hinaus, dass die Karthaunen auch mit Sprenggeschossen sowie mit Lederbeuteln mit Eisenschrott geladen werden konnten. Die Idee von den verheerenden Splitterbomben moderner Armeen, deren Ächtung heute diskutiert wird, ist demnach auch im Provinzstädtchen Rinteln bekannt gewesen.
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