Es ist die schwierigste Aufgabe, die in jenen Tagen überhaupt zu vergeben war: Lord Louis Mountbatten wird zum letzten Vizekönig von Indien ernannt – und soll innerhalb kürzester Zeit die britische Kolonie in die Unabhängigkeit entlassen. Eine Weltmacht hat sich überlebt, doch um die indischen Verhandlungspartner unter Druck zu setzen, verlegt Mountbatten den anvisierten Zeitpunkt des britischen Abzugs um ein Jahr vor – auf den 15. August 1947.
Der Termin der Machtübergabe, die ein einziger Rückzug ist, ist ein letzter britischer Versuch, das Gesicht zu wahren: Zwei Jahre zuvor hatten die Japaner an diesem Tag kapituliert.
Der indische Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi hatte zuvor den jahrzehntelangen gewaltlosen Widerstand gegen die britischen Kolonialherren angeführt und sich um ein politisches Bündnis zwischen Hindus und Muslimen bemüht. Das kommt nicht zustande.
Mountbatten und die Briten setzen daher auf eine Zweistaatenlösung. Neben Indien mit den Hindus als religiöser Mehrheit entsteht ein Land für die Muslime: Pakistan.
Mountbatten entwickelt seinen Plan, am 15. August wird der indische Subkontinent in die unabhängigen Staaten Indien und Pakistan verwandelt, Jawaharlal Nehru, Indiens erster Premierminister, findet die pathetisch angemessenen Worte: „Punkt zwölf Uhr, um Mitternacht, wenn der Rest der Welt schläft, wird Indien im Licht der Freiheit erwachen“.
Doch mit der Grenzziehung beginnt eine Massenmigration. Etwa 15 Millionen Menschen versuchen, in den jeweils anderen Landesteil zu kommen. Die Folgen sind verheerend.
Dorfgemeinschaften und Familien werden auseinandergerissen, als sich im neuen West-Pakistan Hindus und Sikhs auf den Weg in die Indische Union machen und Muslime nach West-Pakistan auswandern. Zwischen 1947 und 1950 wandern nach Schätzungen mehr als zehn Millionen Menschen über die neuen Grenzen – ein weltweit nie da gewesener Bevölkerungsaustausch.
Der auf beiden Seiten politisch geschürte Hass entlädt sich im Zuge der Teilung entlang der religiösen Trennlinien. In den ersten Monaten nach der Unabhängigkeit sterben an der Gewalt mehr als eine Million Menschen; Muslime metzeln Hindus und Sikhs nieder, Hindus und Sikhs vergehen sich an Muslimen. Es ist eine politische, kulturelle, gesellschaftliche und menschliche Katastrophe, Unfassbares spielt sich ab, unzählige Gräuel gibt es in Dorfgemeinschaften, die bislang friedlich zusammen leben, und unter Menschen auf dem Weg in ein Land, in das niemand will.
Bei ihrem Abgang von der kolonialen Bühne reduziert Mountbatten ein letztes Mal die indische Gesellschaft auf gerade einmal zwei Religionsgruppen, auf Moslems und Hindus. Zu den großen Verlierern gehören die Sikhs, die bei dem Teilungsplan nicht berücksichtigt worden waren. Nahezu alle Sikhs verlassen daraufhin den pakistanischen Teil des Punjab, denn sie wollten nicht in einem muslimisch definierten Staat leben.
Im indischen Teil des Punjab leidet Delhi, das an der Ostgrenze der Provinz liegt, unter dem Exodus von 330 000 muslimischen Einwohnern – nur wenige Tausend Muslime bleiben in der Stadt. Gleichzeitig strömen über 500 000 Sikhs und Hindus die Metropole. Die Regierung lässt unkompliziert Wohnsiedlungen errichten.
1948 schickt die indische Regierung Truppen nach Kaschmir, so will man einem vermuteten Präventivschlag Pakistans zuvorzukommen. Der Krieg bricht zwischen den beiden Nachfolgestaaten Britisch-Indiens aus. Erst als die Vereinten Nationen vermitteln, kommt es zu einem Waffenstillstand. Er hält bis 1965, dann folgt ein zweiter Krieg um Kaschmir.
Das Atomwaffenarsenal, über das beide Staaten seit 1998 verfügen, birgt zudem die Gefahr, dass der Krisenherd sich je nach Weltlage auch zu einem überregionalen Konflikt ausweiten könnte. Was sich in all den Jahrzehnten nicht geändert hat: Die Gesprächsbereitschaft zwischen Pakistan und Indien war und ist nicht sehr ausgeprägt. Bis heute ist zudem der Status der Kaschmir-Region nicht geklärt. Beide Regierungen erheben Anspruch auf das Gebiet. Denn noch immer schwelen die Wunden, die Mountbatten mit der Teilung Britisch-Indiens 1947 geschlagen hat.