DERENTAL / HOLZMINDEN. Nach mehr als zehn Stunden ist es endlich geschafft – auf 18 Achsen und 144 Rädern rollt der 5 Millionen Euro teure und 310 Tonnen schwere Tennet-Transformator am Eulenkrug bei Fürstenberg (Landkreis Holzminden) von Bord des niederländischen Schiffs „Nicolaas van der Wees“.
Die Sonne ist längst untergegangen. Suchscheinwerfer strahlen den 96-Meter langen Schubverband an. Auch der in Hameln stationierte Schlepper „Werra“ der Strom- und Schifffahrtspolizei sorgt für Licht. In Zeitlupe fährt der ferngesteuerte Plattformwagen, auf dem die schwere exakt austarierte Fracht steht, über eine eigens dafür mithilfe eines 230-Tonnen-Krans gebaute Rampe aus 120 Tonnen Stahl.
Es war eine Entladung mit Hindernissen: Erst brannte auf dem Schubleichter ein elektronisches Bauteil der Windensteuerung durch, dann saß der Frachtponton auf der Backbordseite fest. Am Ende waren es der Transformator, der verrutscht war, und die Enge in dem Drive-in-Ponton, was das Ausladen erheblich verzögerte. Noch am Sonntag hatte Projektleiter Wouter Kock von der Koninklijke Van der Wees Transport Groep gehofft, dass die Entladung gegen 12 Uhr abgeschlossen ist. Aber es kam anders, als gedacht.
Allein drei Stunden hatte es gedauert, den mehr als 800 Tonnen schweren Drive-in-Ponton in die richtige Position zu ziehen und zu schieben. Die Schlepper „Werra“ und „Nethe“ der Strom- und Schifffahrtspolizei, vier je 35 Tonnen schwere Zugmaschinen des rheinländischen Schwerlastunternehmens „Kahl & Jansen“ aus Moers und das 1000 PS starke Schubschiff „Nicolaas van der Wees“ wurden dafür eingesetzt. Um 13.22 Uhr stand der Schubleichter endlich quer zur Weser. Die Strömung war extrem stark. Ohne die Schlepper des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts (WSA) wäre der Plan wohl gescheitert.
Das nicht gerade leichte Anlegemanöver war von langer Hand vorbereitet worden. Nach Angaben des WSA hatten Experten die Weser an der Fährrampe „Eulenkrug“ mit dem Arbeitsschiff „Nethe“ extra ausgelotet und mit dem Schwimmgreifer „SG Oberweser“ rechts und links der Fluss-Sohle ausgebaggert. In der vergangenen Woche sei der Fluss an dieser Stelle exakt 96 Meter breit gewesen, sagt der für Wasserstraßen zuständige WSA-Fachbereichsleiter Thomas Lippel – aber da war der Pegel auch noch höher.
Nichts hatte die Schifffahrtsverwaltung des Bundes dem Zufall überlassen. Der Zufluss aus der Edertalsperre war stark gedrosselt worden – von zunächst 90 000 Litern pro Sekunde auf zuletzt 6000 Kubikmeter/Sekunde. Das ist die Mindestabgabe. „Das Wasser, das hier entlang fließt, kommt fast nur aus Fulda und Werra“, sagt Lippel – und schiebt hinterher: „Wir wollen das Wasser glatt halten und verhindern, dass die Sohle des Flusses Schaden nimmt.“
Dann kam der erste Rückschlag: Auf dem 69 Meter langen Drive-in-Ponton „Lastdrager 19“ brennt die Windensteuerung durch. Die Reparatur kostet Zeit. Kurz vor 12 Uhr ist zunächst unklar, ob die Entladung verschoben werden muss. Wenig später ist der Bug des mehr als 800 Tonnen schweren Frachtpontons auf der Backbordseite festgekommen. Die „Nethe“ griff ein, nahm den Leichter in Schlepp, während die „Nicolaas van der Wees“ und die „Werra“ mit voller Kraft gegen die Bordwand drückten und vier je 35 Tonnen schweren Zugmaschinen, die zusammen 2500 PS haben, am Ufer ihre Seilwinden anzogen und teils langsam vorwärtsfuhren. Mit Ankerwinden wurde die Aktion an Bord des Schubleichters unterstützt.
15.30 Uhr: Das Spezialfahrzeug, mit dem der Trafo auf der Straße transportiert werden soll, rollt über die Stahlrampe in den Drive-in-Ponton. Ein kniffeliger Moment, denn Flusswasser muss so in die Ballasttanks des Pontons gepumpt werden, dass der Schubleichter später durch das enorme Gewicht des an Land rollenden Schwertransporters nicht vornüberkippt. Kurz vor halb sieben ist die Operation „Trafo“ gelungen, der grüne Riese auf 144 Rädern an Land gerollt. Um 22 Uhr beginnt der nächste Teil der Reise – diesmal auf der Straße.
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