Futterdieb bedient sich und das wird ihm beinahe zum Verhängnis (mit Video)
LAUENSTEIN/WESERBERGLAND. Zu einem tierischen Einsatz wurden am Vormittag der Lauensteiner Ortsbrandmeister Hubert Brock, sowie sein ehemaliger Stellvertreter Matthias Kutz alarmiert. Außerdem haben wir haben zusammengefasst, was man über Waschbären wissen sollte:
veröffentlicht am 06.05.2023 um 09:45 Uhr aktualisiert am 09.05.2023 um 17:04 Uhr
06. Mai 2023 09:45 Uhr
LAUENSTEIN/WESERBERGLAND. Zu einem tierischen Einsatz wurden am Vormittag der Lauensteiner Ortsbrandmeister Hubert Brock, sowie sein ehemaliger Stellvertreter Matthias Kutz alarmiert. Außerdem haben wir haben zusammengefasst, was man über Waschbären wissen sollte:
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Der Grundstückseigentümer entdeckte am Morgen das hilflose Tier und wählte den Notruf. Neben den beiden Feuerwehrleuten wurde auch ein Jäger an die Einsatzstelle gerufen. Mehrere Versuche, das Tier schnell zu befreien, scheiterten. Der junge Waschbär schnappte in seiner Panik wild um sich und fauchte die Helfer ununterbrochen an. Schließlich konnten die Retter den Futterdieb mit einer Astschere aus seiner misslichen Lage befreien. Diese Meldung der Feuerwehr mögen einige Leser als „süß“ empfinden. Aber die Region leidet unter einem ernstzunehmenden Waschbär-Problem. Selbst Naturschützer befürworten die Bejagung.
Waschbären werden im Weserbergland zu einer immer größeren Plage
Die Klagen über die vermeintlich so putzigen Tiere mehren sich. Im Weser-Leine-Land melden inzwischen 97 Prozent der Reviere das Vorkommen von Waschbären. Allein von Januar bis Ende März 2023 sind im Hamelner Stadtgebiet 23 Waschbären in die Falle gegangen. In Springe wurden 61 Tiere alleine in der Innenstadt geschossen.
In einem Garten eines Hamelner Ehepaars hinterließ eine Gruppe Waschbären ein Bild der Verwüstung. Das Schadbild des Rasens ähnelte jenem, als sei eine Wildschweinrotte darüber hinweggefegt. In einem Einfamilienhaus in Hessisch Oldendorf mussten die Eigentümer kurz nach dem Einzug eines morgens feststellen, dass die Dämmung komplett zerfetzt war. Wieder waren Waschbären am Werk.
Die Plage breitet sich überall in Niedersachsen aus. Im Weser-Leine-Land melden inzwischen 97 Prozent der Reviere das Vorkommen der invasiven Tierart. In Niedersachsen weisen die Landesjagdberichte einen Anstieg der erlegten Tiere, die sogenannte Jagdstrecke, von eintausend Tieren im Jahr 2001 auf 23 322 erlegte Exemplare im Jagdjahr 2021/22 aus. Im Vergleich zum Jagdjahr 2020/21 ist beim Waschbären ein Plus von 10,3 Prozent zu verzeichnen. Die aktuellen Zahlen für den Landkreis Schaumburg zeigen, dass im gerade abgelaufenen Jagdjahr mit 1221 Waschbären fast 200 Tiere mehr erlegt worden sind als im Jagdjahr zuvor. Für Hameln-Pyrmont liegen die aktuellen Zahlen für das erlegte Wild im Zeitraum vom 1. April 2022 bis zum 31. März 2023 noch nicht vor.
Die Population steigt unaufhörlich an
„Allein von Januar bis Ende März 2023 sind der Jägerin Silke Baum im Hamelner Stadtgebiet 23 Waschbären in die Falle gegangen“, weiß Kreisjägermeister Ziegler. Im Jagdjahr zuvor sind es 88 gewesen. Die Population steigt weiter. Allein im Nordosten Niedersachsens ist die Zahl dieser Spezies noch gering.
Seit Waschbären um 1930 im Raum Kassel in die freie Wildbahn gelangt sind, haben sie zunächst die nordhessische Stadt und Umgebung als Lebensraum für sich entdeckt. Heute gilt Kassel als die Hauptstadt der Waschbären mit geschätzt hundert Tieren auf hundert Hektar. Aus dem Nordhessischen hat sich der Neozoen in alle Himmelsrichtungen verbreitet. Zunächst mehr nach Süden, später auch in den Norden, wo er um 1990 auch Hameln-Pyrmont erreicht hat. Über Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern breitet sich seit Grenzöffnung eine andere Linie aus.
Waschbär-Video wird Internet-Hit
Waschbären sind überwiegend nachtaktiv, tagsüber bekommt man sie daher nur selten zu Gesicht. Die Fallenjagd spielt deshalb eine große Rolle, wenn man ihnen nachstellt. In befriedeten Bezirken, also in Städten und Dörfern die einzige Möglichkeit sie zu bejagen, da dort der Waffengebrauch verboten ist. In Städte und Dörfer zieht es die Waschbären zunehmend. Hier finden sie ohne große Anstrengung genügend Nahrung. Der Tisch ist für sie dort reich gedeckt. So gehören Vogelfutter und ganz speziell Meisen-Knödeln neben Obst zu ihren Leibgerichten. Tierisches Eiweiß wie Würmer und Larven finden die Waschbären in Gärten und Anlagen ebenso wie im freien Feld. Dort sind sie dabei den Wildschweinen in punkto Schaden den Rang abzulaufen. In der Erntezeit klagen Landwirte vermehrt darüber, dass die Neozoen im Mais großen Schaden anrichten.
Den Jäger um Hilfe bitten
Auf die Frage, was tun, wenn sich ein Waschbär im eigenen Haus verirrt hat, weiß Dr. Egbert Strauß Rat. „Am besten den für den Ort zuständigen Jäger oder die Jägerin anrufen, die eine Lebendfalle aufstellen. Wird der Waschbär gefangen, dann wird mit dem Tier ins Revier gefahren und es tierschutzgerecht mit einem Fangschuss getötet. Es ist eine Vorgabe der EU, dass invasive Neozoen nicht wieder ausgesetzt werden dürfen. Sie dürfen auch nicht mehr gehalten (außer in speziellen Einrichtungen) noch darf mit ihnen gehandelt werden. Damit soll die Etablierung neuer Populationen und die weitere Ausbreitung verhindert werden.“ Der Wissenschaftler aus Klein Süntel sieht gegen die rasante Ausbreitung nur die Möglichkeit „mit einer intensiven Bejagung zu reagieren.“
Amphibien-Schutzzäune sind für Waschbären wie der Schalter einer Fast-Food-Kette
Und Ulrich Menneking, als Hegeringleiter verantwortlich für Rinteln, klärt auf: Der Räuber sei „extrem schlau“ und „sehr anpassungsfähig“, er sei ein „arger Räuber“ und müsse „scharf bejagt werden.“ Menneking sieht den kletterfähigen Waschbären als Gefahr für Niederwild und Amphibien, er verweist auf Biotope, die von Menschen mit viel Aufwand geschaffen wurden und in denen das Tier auf die Jagd gehe: „Im Frühjahr geht er an den Krötenzäunen lang und guckt nach, was es heute im Drive-in gibt.“
Der Mensch trägt zum Anwachsen der Waschbär-Population bei
Auch aus Sicht der Naturschützer ist der Allesfresser eine Plage, denn der findige Einwanderer ist sehr flexibel bei seiner Nahrungsbeschaffung: Er plündert nicht nur Mülltonnen, sondern auch die Gelege von seltenen Brutvogelarten.
Aber der Mensch mit seinen Behausungen steigert die Vermehrungsfreude der Kleinbären ungemein, ganze Sippschaften betrachten Hinterhöfe oder Gartenlauben als ideale Lebensräume – und nehmen sie kurzerhand in Beschlag. Eine wenig wählerische Ernährungsweise, enorme Kletterkünste, eine unglaubliche manuelle Geschicklichkeit seiner handähnlichen Vorderpfoten, gepaart mit einem gesunden Quantum Esprit: Diese Mischung macht den Kleinbären immer mehr zum erfolgreichen Stadtstreicher.
Nicht wenigen Menschen wachsen die nächtlichen und so ungemein niedlichen und possierlichen Besucher auch ans Herz. Sie füttern die Tiere mit Schokoladenkeksen und Erdnüssen. Das ist allerdings kein richtig guter Plan: Die ewig hungrigen Gesellen „belohnen“ die zweibeinigen Tierliebhaber damit, dass sie zum allabendlichen Stelldichein wiederkommen – und die weitere Verwandtschaft mitbringen.
Von Peter Jahn, Frank Westermann und Christian Bendig