Kolumne „Auf der Couch“

Finde den Fehler! Wie Sie Ihr Team konstruktiv zur Verantwortung ziehen

Ein Mann zeigt mit dem Zeigefinger in Richtung Kameralinse.

Wer ist schuld? Oft lohnt es sich, bei der Fehlersuche bei sich selbst anzufangen.

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War der Termin zu eng gesetzt? Oder hat das Team zu langsam gearbeitet? Menschen halten das für wahr, was ihnen nützt. Diese Überzeugung vertrat der amerikanische Psychologe und Philosoph William James (1842–1910). Wenn nach seiner These jemand an Gott glaubt, dann nicht, weil es Gott gibt – sondern weil es ihm mit diesem Glauben besser geht. Und wenn jemand nicht an Gott glaubt, dann genau aus dem gleichen Grund. Was ein Mensch für real hält, hat mehr mit ihm selbst als mit den Fakten zu tun.

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Am Arbeitsplatz gilt dasselbe. Zum Beispiel leiten Sie ein Projekt und der Termin platzt. Nun wollen Sie den Ursachen auf den Grund gehen. Bei der Besprechung vertritt eine Kollegin die Überzeugung: „Wir haben unpünktlich geliefert, weil der Termin zu eng gesetzt war.“

Ist diese Überzeugung nützlich für die Mitarbeiterin? Fraglos, denn so geht der geplatzte Termin nicht auf ihre Kappe und das Team ist aus dem Schneider. Einzig und allein die Terminplanung steht am Pranger. Wer an einer unlösbaren Aufgabe scheitert, hat nichts falsch gemacht. Der direkte Zusammenhang zwischen der Terminplanung und dem Scheitern wird vorausgesetzt. Es klingt die Überzeugung durch: „Der Termin war unter keinen Umständen einzuhalten.“ Als wäre das ein Naturgesetz.

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Provokante Fragen locken aus der Reserve

Bei solchen Annahmen kann es sich um Verzerrungen handeln. Im Coaching hat es sich bewährt, diese Voraussetzungen zu hinterfragen. Zum Beispiel könnte die Projektleitung jetzt provokante Fragen ans Team stellen, um die Mitglieder aus der Reserve zu locken und zu einer selbstkritischeren Sichtweise anzuregen:

„Dann wäre jedes Team der Welt, auch das allerbeste und allerschnellste, an diesem Termin zu 100 Prozent gescheitert – ganz sicher?“ Oder: „Dann wäre das Scheitern unter keinen Umständen zu verhindern gewesen, ganz egal, wie sehr ihr die Arbeit besser organisiert und beschleunigt hättet?“

Oder, ins Positive abbiegend: „Angenommen, alle Räder hätten ganz optimal ineinandergegriffen – inwiefern wä­­re der Termin dann doch zu halten gewesen?“ Diese Fragen helfen dem Team dabei, auf einen neuen Gedankenpfad abzubiegen: Kann es sein, dass der Termin eben doch zu halten gewesen wäre?

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An die Eigenverantwortung erinnern

Im zweiten Schritt empfehlen sich Fragen und Impulse, die den Gesprächspartner an seine Eigenverantwortung erinnern. Vielleicht war das ganze Team bei einer Besprechung anwesend, bei der dieser Termin festgelegt wurde. Dann könnten Sie jetzt fragen: „Bitte erklärt mir, warum ihr euch auf einen Termin eingelassen habt, den ihr für unrealistisch hieltet.“ Oder: „Was hättet ihr selbst unternehmen können, um einen realistischeren Termin durchzusetzen?“ Damit machen Sie dem Team deutlich, dass die Planung zumindest indirekt auch mit ihm selbst zu tun hat.

Schließlich können Sie direkt fragen: „Welche Vorteile könnte es haben, wenn ihr die Verantwortung eher bei euch und den Abläufen sucht?“ Möglich, dass der Termin tatsächlich zu knapp gesetzt war. Aber das ist sicher nicht die einzige Ursache. Klüger ist es, wenn das Team für sich Lehren zieht, die beim nächsten Projekt hilfreich sind. Mit fantasievollen und hartnäckigen Fragen, die Zusammenhänge beleuchten, helfen Sie, alte Denkschienen zu verlassen.

Martin Wehrle ist Karrierecoach, sein aktuelles Buch heißt „Wenn jeder dich mag, nimmt keiner dich ernst – Sagen, was man denkt. Bekommen, was einem zusteht“ (Mosaik, 2023).

In der Kolumne „Auf der Couch“ schreiben wechselnde Experten und Expertinnen zu den Themen Partnerschaft, Achtsamkeit, Karriere und Gesundheit. Martin Wehrle ist Karriereberater.

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